: Die tausend Augen der Welt
Der Erdball ist mit unzähligen Webcams übersät. Nicht alle sind wirklich gut, doch sie werden immer besser. Einige lassen sich sogar fernbedienen. So kann man vorab überprüfen, was am Urlaubsort los ist und wie das Wetter ist
von Petra Zornemann
Der Blick auf Hakodate bei Nacht gilt neben Hongkong und die Bucht von Neapel als einer der schönsten der Welt. Der beliebte Touristenort liegt an der Südküste der japanischen Insel Hokkaido, die hierzulande vor allem wegen der nach ihr benannten Kürbissorte bekannt ist. Auch tagsüber ist das Panaroma eindrucksvoll. Oder wie wäre es mit Downtown Sapporo, Yokohama oder Tokio? In Zeiten von Wirtschaftskrise und limitierter Budgets ist dazu keineswegs ein teures Flugticket nötig. Dank unzähliger rund um den Erdball installierter Webcams ist die Sicht auf andere, auch weit entfernte Ecken und Winkel der Welt kein Problem. Es reicht völlig aus, den Browser zu starten, und die virtuelle Reise kann beginnen.
Wer die hawaiianischen Inseln als Traumziel ins Auge gefasst hat, kann sich schon mal auf der Website MyBeachCams.com umsehen: Inselhopping zwischen Kauai, Oahu, Maui und Hawaii (Big Island) – mit vielen Ansichten von traumhaften Stränden, wie man sie aus der TV-Serie „Magnum“ kennt. Auch die Bibliothek des Community College auf Kauai ist einen Besuch wert, ebenso der Hubschrauberlandeplatz auf Maui oder die hektische Betriebsamkeit der Großstadt Honolulu. Auf Big Island lässt sich ein astronomisches Observatorium mit einem 3,6-Meter-Teleskop bestaunen. Es befindet sich auf dem Gipfel des Mauna Kea, einem schlafenden Vulkan. Die Forscher weisen aber darauf hin, dass bei ungünstigen Wetterverhältnissen die Linsen der Kamera auch mal „fogged or frosted“ – beschlagen oder vereist – sein können.
Die meisten Webcams übertragen Standbilder, die laufend aktualisiert werden. Manche bieten auch einen Live-Video-Stream. Der kontinuierlich übertragene Datenstrom macht jedoch nur Freude, wenn er auch per Breitbandverbindungen wie DSL empfangen werden kann. Sonst ruckeln die Bilder. Die Niagara-Fälle lassen sich beispielsweise wunderbar per Video-Stream betrachten. Für den Abruf einiger Seiten sind zudem bestimmte Browser-Erweiterungen nötig, wie Active X oder Java. Meist werden Webcams von öffentlichen Einrichtungen oder Firmen betrieben, die über eine Festverbindung zum Internet verfügen. Aber auch Privatpersonen stellen immer häufiger interessante Webkameras bereit.
Legendär ist die allererste Webcam: die Trojan Room Coffee Pot Camera. Sie sendete von 1991 bis 2001 Livebilder von einer Kaffeemaschine aus dem Computer-Labor der Universität Cambridge und sollte anfangs lediglich den Mitarbeitern den – eventuell vergeblichen – langen Weg zur Kaffeeküche ersparen, indem sie stets den aktuellen Füllstand zeigte. Ab 1993 wurden die Kaffeebilder auch ins weltweite Netz übertragen.
Die Suche nach einer Webcam an einem ganz bestimmten Ort der Erde kann mühsam sein. Google listet zum Stichwort „Webcam“ rund 24,9 Millionen deutsche Seiten, international sind es 147 Millionen. Deutlich einfacher ist es, auf einer Portalseite zu starten, die Webcams nach Kontinenten, Ländern und Städten oder anderen Kategorien katalogisiert und verlinkt. Zum Beispiel der Webcam-Navigator, hier werden besonders sehenswerte Ansichten mit maximal drei kleinen Kamerasymbolen markiert.
Auch wetteronline.de bietet eine große Auswahl und den Zugriff auf 5.000 Kameras weltweit – davon stehen 1.000 in Deutschland. Von Sydney bis Los Angeles, von Tokio bis Rio de Janeiro. Der Vorteil dieser Website ist, dass sie auch auf PCs, die nicht dem allerneuesten Stand der Technik entsprechen, flott läuft und keine endlos langen Lade- und Wartezeiten in Kauf genommen werden müssen. Allein in der Region Hamburg kann man zwischen elf Kameras wählen, mehrere von ihnen sind im Hafen installiert – auch nachts ein schöner Anblick.
Besonders interessant und lebendig ist die Aussicht während des jährlichen Hafengeburtstags, zu dem immer ein großes Feuerwerk abgebrannt wird. Gute Kamerastandpunkte sind auch Jork im Alten Land sowie die Schiffsbegrüßungsanlage Willkomm-Höft in Wedel an der Elbe. Hier wird jedes passierende Schiff – ob „Queen Mary II“ oder ein Containerriese aus Schanghai – beim Ein- und Auslaufen mit der jeweiligen Nationalhymne begrüßt und verabschiedet.
Ein buntes internationales Angebot hält auch Earthcam bereit – vom Burgplatz in Braunschweig, über Ketchikan, einem malerischen Sportfischerei-Ort in Alaska bis hin zur Falkenbeobachtung in Rochester, New York. Elf Kameras schauen auf das hektische Treiben am New Yorker Times Square, die einzelnen Standorte werden auf einem übersichtlichen Plan ausgewählt. Und auch die Sicht auf Miss Liberty ist selbstverständlich kein Problem, die Freiheitsstatue ist im Focus zahlreicher Webcams, die Libertycam ist nur eine davon.
Sogar die Bedienung von Kameras ist vom heimischen PC aus möglich. Eine derartige interaktive Webcam steht zum Beispiel in Sydneys historischem Hafenviertel The Rocks und ist auf die Sydney Harbour Bridge gerichtet. Zwei Minuten lang kann man den Bildausschnitt verkleinern oder vergrößern, das Gegenlicht reduzieren oder Schnappschüsse für die eigene Bildersammlung anfertigen. Dabei kann es schon mal zu einem kleinen Stau kommen, weil gerade ein anderer PC-Nutzer aus einer anderen Ecke des Erdballs die Kamera unter Kontrolle hat. Ähnliche Features bietet auch die Webcam in Seattle, die auf die Spaceneedle montiert ist – einem architektonisch außergewöhnlich gestalteten und berühmten Gebäude. Von dessen Spitze fängt die Kamera ein imposantes Weitwinkelpanaroma ein, aus dem nach individuellem Belieben Ausschnitte gewählt werden können.
Und auch der südlichste Teil des Erdballs, der antarktische Kontinent, lässt sich inzwischen ins Visier nehmen: Auf der deutschen Antarktis-Forschungstation O’Higgins protokolliert seit Ende 2004 eine Webkamera die Aktivitäten einer kleinen Brutkolonie von Eselspinguinen, die unter Wasser als die schnellsten der Welt gelten.
Sollte das Wunschziel dennoch einmal unauffindbar bleiben, kann man es auf Google Earth versuchen. Zwar gibt es hier noch keine Livebilder aus der Webcam, dafür aber bestechend präzise Satellitenfotos von allen Teilen des Erdballs.