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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Skandalisierung

■ betr.: „Gefahrengebiet. Kein politisches Problem“, taz vom 8. 1. 14

Es sollte noch angemerkt werden, dass die jetzt vorgenommene Richtigstellung der Hamburger Polizeibehörde zu ihrem Bericht über die Gewalttaten in der Nacht des 28. Dezember nun auch keine große Sensation darstellt. Eine führende Hamburger Lokalzeitung hatte schon am 30. Dezember auf der Titelseite die Ereignisse detailliert und wahrheitsgemäß geschildert. Somit war allgemein bekannt, dass der im Gesicht schwer verletzte Polizeibeamte nicht unmittelbar vor der Davidwache, sondern ca. 200 Meter entfernt an einer Straßenecke angegriffen wurde. Dem wurde auch zwischenzeitlich durch die Polizei nicht widersprochen, was zeigt, wie irrelevant dieser Sachverhalt an sich ist. Die Attacke auf den Polizisten ist schlimm genug, gleichgültig wo sie stattgefunden hat. In einem bestimmten Maße entsteht hier der Eindruck, dass die Polizei in Hamburg durch eine Skandalisierung ihrer Informationspolitik von interessierter Seite aus generell diskreditiert und auch der Angriff auf die Davidwache als solcher angezweifelt werden soll. HARTMUT GRAF, Hamburg

Noske-Tradition

■ betr.: „Gefahrengebiet. Kein politisches Problem“, taz vom 8. 1. 14

In Hamburg setzt die Polizei, indem sie ein Stadtviertel zum „Gefahrengebiet“ erklärt, für knapp 100.000 dort lebende und arbeitende Menschen auf unbestimmte Zeit Grundrechte außer Kraft. Begründet wird die Maßnahme mit Vorfällen, die großteils von der Polizei selber herbeigeführt oder schlicht erfunden wurden. Die Grenzen zwischen Demokratie und Polizeistaat scheinen fließend geworden zu sein. Es wundert nicht, dass diese Entwicklung von einem SPD-Innensenator vorangetrieben wird, der offenbar die Noske-Tradition seiner Partei hochhält. Unter einem Innensenator Ronald Schill jedenfalls wäre ein solches Vorgehen nicht möglich gewesen, ohne dass es einen Aufschrei in der Stadt gegeben hätte.

CLAUS PETER ORTLIEB, Hamburg

Rote Sheriffs

■ betr.: „Behördengerechte Satire“, taz.de vom 9. 1. 14

Sie schreiben, dass Grüne, Linke und FDP die Verhängung des Ausnahmezustands scharf kritisierten, „während der SPD-Landeschef Ralf Stegner einerseits für Verhältnismäßigkeit, andererseits für eine ‚Null-Toleranz-Strategie‘ “ plädierte. Nun, das macht die Essenz der sich dem „linken Flügel“ der SPD zurechnenden Personen als absolute Witzfiguren aus. Sie können sich nicht von den roten Hilfssheriffs Neumann und Scholz distanzieren und sehen in der zeitlich unbegrenzten Aufhebung des Rechtsstaats für 80.000 Bürger keine Unverhältnismäßigkeit. Die glauben auch noch an die jungfräuliche Schwangerschaft und sollten sich schleunigst einer radikalen religiösen Sekte anschließen. Verhältnismäßige Nulltoleranz, taz.de

Sind Steine Argumente?

■ betr.: „Militanzdebatte unter Linken: Mit Molli oder ohne“, taz.de v. 9. 1. 14

„Sie sagen, Steine sind keine Argumente, und schlagen mit Knüppeln, schießen mit Gewehren, vergiften mit Chemie, verseuchen mit Atom, töten in Gefängnissen. Sie haben recht: Steine sind keine Argumente. Steine sind erst zögernde Versuche, uns zu artikulieren, in der einzigen Sprache, die sie verstehen.“

Dieser Text, ursprünglich entdeckt auf einem Sticker, bringt es für mich auf den Punkt. Es wird immer erzählt, Gewalt sei keine Lösung, man solle doch vernünftig sein, und dass man doch über alles reden könne.

Und das ist auch vernünftig. Doch will die Politik lösungsorientierte Gespräche? Nein, denn die denken noch immer, es wäre nicht nötig, weil ihr Gegenüber eben nur autonome Hooligans seien, denen gar keine Ansprüche zustünden. Doch genau an dem Punkt werden sie nicht vorbeikommen, wenn eine gewisse Schadenshöhe erreicht ist. Das ist alles nichts Neues.

Warum kann man dann nicht einmal aus Fehlern früherer Jahre etwas lernen, und wenn es auch nur der Sorge um den eigenen Vorgarten geschuldet ist? Wer die Bedürfnisse von Menschen sogenannten freien Märkten überlässt, sollte auch mit echtem Widerstand dagegen rechnen!

„Der Kapitalismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden“ (John Maynard Keynes). DDHECHT, taz.de