Ägypten mahnt Israel zur Besonnenheit

Israelische Bodenoffensive nach Gaza bleibt zunächst aus. Gefangene Hamas-Minister sollen vor den Haftrichter

JERUSALEM/KAIRO taz ■ Nicht von seinem Büro aus und nicht im Parlament, meldete sich der palästinensische Regierungschef und Hamas-Politiker Ibrahim Haniya gestern zu Wort. Kein Wunder, die israelische Armee hatte über Nacht über 30 Ziele im Gaza-Streifen angegriffen, darunter auch des palästinensische Innenministerium. Am Tag zuvor wurden im Westjordanland in Reaktion auf die Verschleppung eines israelischen Soldaten mehr als 60 ranghohe Hamas-Mitglieder festgenommen, unter ihnen Minister, Abgeordnete und Bürgermeister. Also tauchte Haniya im Schutz der Menge des Freitagsgebetes in einer Moschee in Gaza auf. „Wir arbeiten mit unseren ägyptischen Brüdern und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas daran, den Fall des entführten israelischen Soldaten angemessen abzuschließen“, erklärte er, „die Eskalation seitens des israelischen Militärs“ habe das Ganze noch komplizierter gemacht. Die Offensive im Gaza-Streifen ziele nicht darauf ab, den entführten Soldaten zurückzubringen, sondern sei „Teil des Plans, die Hamas-Regierung zu Fall zu bringen“, sagte Haniya. Das werde jedoch nicht gelingen.

Auf der israelischen Seite an der Grenze zum nördlichen Gaza-Streifen, blieb unterdessen ein massives Aufgebot von Panzern gestern in Wartestellung. Die vorausgesagte Bodenoffensive von dieser Seite war zunächst ausgeblieben. Der Grund dafür wurde bald darauf in Kairo deutlich. Dort meldete sich der ägyptische Präsident Hosni Mubarak zu Wort. Er hatte die Notbremse gezogen und den israelischen Premier Ehud Olmert gebeten, nichts zu überstürzen. „Ägyptische Kontakte mit mehreren Hamas-Führern haben zu ersten positiven Ergebnissen geführt, in Form eines Abkommens, in dem Bedingungen für die baldige Freilassung des israelischen Soldaten festgelegt wurden, um eine weitere Eskalation zu vermeiden“, wird Mubarak in der staatlichen ägyptischen Zeitung al-Ahram zitiert. Ägypten soll angeblich als Garant fungieren, dass Israel seinen Teil des Abkommens einhält. Möglicherweise wird über die Freilassung einiger palästinensischer Gefangener verhandelt. Unterdessen weigerte sich der israelische Oberstaatsanwalt Menachem Masus, dem Gesuch des Shin Beth nachzukommen und die in den vergangenen Tagen verhafteten Hamas-Mitglieder in Administrativhaft zu nehmen oder als Verhandlungsmasse für die Freigabe des israelischen Gefreiten festzuhalten. Stattdessen sollen die rund 65 Verhafteten mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation dem Strafrichter vorgeführt werden.

Premierminister Ehud Olmert hatte sich von Beginn der Geiselaffäre an strikt gegen Verhandlungen mit den Entführern gestellt, vielmehr eine bedingungslose Freilassung des Soldaten gefordert. Damit stieß er auf Unverständnis von Noam Shalit, dem Vater der Geisel, der an die Regierung appellierte: „Sag niemals nie!“ Am Wochenende von der auflagenstärksten Tageszeitung Jediot Achronot veröffentlichten Umfragen zufolge würden 58 Prozent der Israelis einen Tauschhandel befürworten.

SUSANNE KNAUL
KARIM EL-GAWHARY

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