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Archiv-Artikel

Lösegeld für Kunstraub eingeklagt

Ein Frankfurter Rechtsanwalt hatte 2003 einen spektakulären Kunstraub zum glücklichen Ende geführt. Gestern erstritt er vor Gericht die Zahlung des Lösegeldes, das er einst vorgestreckt hatte: Hamburger Kunsthalle muss nun 271.326,60 Euro zahlen

AUS HAMBURG ELKE SPANNER

Hehler stellen keine Quittung aus. Für Rechtsanwalt Edgar Liebrucks ist das kein Problem mehr. Der Mann, der 2003 den größten Kunstraub der deutschen Nachkriegsgeschichte zu einem glücklichen Ende geführt hatte, hat nun Rechtsgeschichte geschrieben: Als weltweit wohl erster Kläger setzte er vor Gericht eine Lösegeldzahlung für gestohlen Bilder durch. Das Landgericht Hamburg verurteilte gestern die Hamburger Kunsthalle, dem Frankfurter Anwalt 250.000 Euro zu erstatten, die dieser im Jahr 2003 für den Rückkauf des gestohlenen Caspar-David-Friedrich-Bildes „Nebelschwaden“ an die Diebe gezahlt haben will. Zusätzlich bekommt er 21.326,60 Euro – für seine eigene Hehlertätigkeit.

Dabei drohte Liebrucks lange Zeit selbst zum tragischen Helden zu werden. 1994 waren aus der Frankfurter Kunsthalle Schirn Gemälde von William Turner und Caspar David Friedrich geklaut worden, Leihgaben der Londoner Tate Gallery und der Hamburger Kunsthalle. Jahrelang waren die Bilder verschwunden. Dann stand eines Tages „Rocky“, ein Sergeant Detective von Scotland Yard, in Liebrucks Büro. Im Auftrag der Tate Gallery hatte er sich auf die Spur der Bilder gemacht und sich den Frankfurter Anwalt als Vermittler gesucht – Liebrucks genießt in der Unterwelt einen guten Ruf. Ob er bereit sei, sich auf die Spur der Gemälde zu begeben, fragte Rocky. Liebrucks sagte zu.

Der Anwalt nahm Kontakt zur Frankfurter „Jugo-Mafia“ auf. Sie stand im Verdacht, den Kunstraub organisiert zu haben. In der Folgezeit verhandelte Liebrucks mit den Ganoven, ließ sich nachts mit verbundenen Augen an konspirative Orte im Wald führen. „Ich habe mich gefragt, ob ich anschließend als Zeuge beseitigt werde“, berichtet Liebrucks über ein Treffen in einem Wald bei Offenbach, kurz nach Mitternacht, im Herbst 2002.

Nach monatelangen Verhandlungen sah es zunächst so aus, als würde der Anwalt eine glatte Erfolgsgeschichte schreiben. Seit Dezember 2002 hängen die beiden gestohlenen Turner-Bilder wieder in der Londoner Tate Gallery, seit August 2006 sind auch die „Nebelschwaden“ wieder da. Die Tate ersetzte Liebrucks umgehend seine „Auslagen“ und zahlte ein sattes Honorar. Die Hamburger Kunsthalle aber weigerte sich – und definierte die Geschichte komplett um.

Plötzlich stand Liebrucks unter Verdacht, selbst ein Ganove zu sein. „Ich habe ihn immer als Vertreter der anderen Seite gesehen“, so Kunsthallen-Geschäftsführer Tim Kistenmacher. Dessen Anwalt behauptete vor Gericht, Liebrucks habe 250.000 Euro Lösegeld nie vorgestreckt. Er versuche, das Geld für die Diebe einzutreiben und obendrein ein Honorar für sich zu kassieren. Das Gegenteil konnte Liebrucks nicht beweisen: Für Hehlerware gibt es keinen Kassenbeleg. Also zog er vor Gericht.

Kunstraub ist eine Art Geiselnahme. Glaubt man nicht an die Mär vom Sammler, der geklaute Bilder zu Hause im Safe versteckt, geht es immer um das Erpressen von Lösegeld. Dass es ohne Bares nicht gehen wird, war auch Tim Kistenmacher klar. Als Liebrucks längst in Verhandlungen mit den Dieben stand, hatte sich Kistenmacher daher entschlossen, das Geld für den Rückkauf der „Nebelschwaden“ selbst aufzutreiben. Dafür suchte und fand er einen Mäzen. Doch dieser sprang wieder ab. Das aber erfuhr Liebrucks erst, als er die „Nebelschwaden“ bereits von den Hehlern bekommen und dafür 250.000 Euro vorgestreckt hatte. Zu spät, sagte gestern das Gericht. Jenen Mäzen im Rücken wähnend, konnte Liebrucks zu Recht darauf vertrauen, dass die Kunsthalle ihm das Lösegeld für das Bild zahlen würde.