: „Es ist ein Rückzugsgefecht des Ministers“
Der Bund wird das Schienennetz der Bahn behalten, sagt Berlins Finanzsenator und Ex-Bahnmanager Sarrazin
taz: Herr Sarrazin, der Bundesverkehrsminister sagt, die Würfel seien für das „integrierte Modell“ gefallen. Darf die Bahn bei der Privatisierung also ihr Netz behalten?
Thilo Sarrazin: Die Äußerung ist mit Vorsicht zu genießen, sie ist ja zunächst einmal nur die Interpretation des Herrn Tiefensee. Die Verkehrs- und Finanzpolitiker von SPD und CDU sind alle gegen das integrierte Modell, bei dem die Bahn ihr Schienennetz behalten dürfte. Ein Votum der Kanzlerin fehlt bisher. Von einer Entscheidung würde ich da nicht sprechen.
Tiefensee will also nur nicht offen sagen, dass Mehdorn und er sich nicht durchsetzen können?
Genau so sehe ich das. Wir erleben ein Rückzugsgefecht des Ministers. Er hat eingesehen, dass er mit seiner voreiligen und einseitigen Stellungnahme für den integrierten Börsengang falsch lag. Ich denke, alles läuft auf das so genannte Eigentumsmodell hinaus. Bei diesem bleibt das Netz Eigentum des Bundes, die Bahn hätte aber weitgehend das Sagen.
Also ein Kompromiss. Was würde er für die Zukunft der Bahn bedeuten?
Durch das Modell bleibt viel bei der weiteren Entwicklung der Bahn offen. Es ist bisher nur vage geregelt, funktioniert im Prinzip aber so: Der Bund besitzt die Infrastruktur. Er schließt aber mit der Bahn einen Vertrag darüber, dass das Unternehmen die Schienen und Bahnhöfe für ihn vorhält und betreibt. Wie genau der Vertrag formuliert wird, ist jetzt Verhandlungssache. Vom Bund weich formuliert, hätte er eher formalen Charakter. Hart formuliert, käme er fast einer Trennung von Netz und Betrieb gleich.
Wird mehr Wettbewerb auf der Schiene herrschen?
Ein Gutachten der Unternehmensberatung Booz-Allen-Hamilton, das auch dem Bundestag vorliegt, belegt: Das Eigentumsmodell bringt etwas mehr Wettbewerb. Eine Trennung von Netz und Betrieb würde am meisten zusätzlichen Verkehr und Wettbewerb erzeugen.
Was bringt die Reform den Kunden?
Der Kunde wird auf lange Sicht von einer Tatsache profitieren: Falls das Eigentumsmodell verwirklicht wird, gerät die Bahninfrastruktur nicht in private Hände. Außerdem können sich Bund und Bahn auf künftige Entwicklungen flexibel einstellen. Die Bahn muss mehr Verkehr auf die Schiene bringen, bisher nutzt sie das riesige und teure Schienennetz nur unzureichend.INTERVIEW: ULRICH SCHULTE