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SPIELPLÄTZE (22 UND SCHLUSS)Tintenfisch-Orakel und dumme Kommentare

FUSSBALLGUCKEN Deutschland gegen Spanien im Café Stadler in Friedrichshain

Spielplatztest

■  Ort: Café Stadler, Boxhagener Str. 69, Friedrichshain. Nahe Ostkreuz.

 Sicht: Draußen flanieren zwischen Bierbänken und Leinwand hin und wieder Fußgänger vorbei, die tatsächlich nicht Fußball gucken. Ansonsten optimal.

 Kompetenz: Durchwachsen. Immerhin war Uruguay Turnierfavorit des Wirts.

■  Nationalismus: Kaum. Statt der Hymnen läuft stets „Für dich soll’s rote Rosen regnen“.

■  Wurst: Pfefferbeißer 2 Euro. Nach der WM gibt’s auch sicher wieder ein „Weißwurstfrühstück“.

 Bier: „Schönramer“ in den Varianten hell (2,80 Euro), Weizen (3 Euro), Zwickl und Gold (3,30 Euro).

Die Fleisch- und Fischfresser sind schuld. „Würden die den Tintenfisch nicht gefangen halten, hätte der auch nicht auf die spanische Flagge gesetzt“, brummt der Veganer mit Sympathien für die deutsche Mannschaft, nachdem deren Aus besiegelt ist. Tintenfisch Paul aus einem Oberhausener Aquarium fungierte während der WM als Orakel, indem er sich vor den Spielen der Deutschen für eine mit den jeweiligen Flaggen beklebte Futterschale entschied, und zwar immer die des späteren Siegers. So auch vor dem Halbfinale für die spanische.

Der Veganer indessen ist Stammgast im Café Stadler, dessen Namenspatron und Wirt ausgerechnet Sohn eines oberbayerischen Metzgers ist. Aus Oberbayern ist auch das Bier, das die rund drei Dutzend Gäste zum Spiel trinken – es ist wie Wirt Andreas mit seinem rosa gefärbtem Pferdeschwanz, Lackhose, Nietenhalsband und Dialekt definitiv einzigartig in Berlin. Schuhmacher und Schauspieler war er schon, Mitglied beim Kreuzberger Performance-Kollektiv Open Space, bevor er vor drei Jahren seine Kneipe eröffnete. Und weil es bei seinem Club 1860 München schon länger nichts mehr zu feiern gibt, baut er für Europa- und Weltmeisterschaften immer zwei Leinwände auf: Eine ist vom Tresen drinnen wie vom Bürgersteig draußen gleichermaßen einsehbar, die andere steht im Hinterzimmer – wo auch nach dem bayerischen Raucher-Volksentscheid gequalmt werden darf.

Trotzdem ist die Schar der Fußballfans wie im bisherigen Turnierverlauf auch an diesem Abend verhältnismäßig übersichtlich und das Stadler ein willkommener Kontrapunkt zu den Massenaufläufen allenthalben. Die Zuschauer wirken während des Matches ähnlich angespannt wie die deutsche Elf auf dem Rasen. Nur draußen, auf der Bierbank direkt vor der Leinwand, zappelt einer wie Rumpelstilzchen und feuert die „Jungs“ gestenreich an. Im Hinterzimmer versucht sich währenddessen ein hörbar antideutscher Lehramtsanwärter als Orakel: „Da geht heute was“, kommentiert er die spanische Feldüberlegenheit nach einer halben Stunde. Ein barfüßiger Hornbrillenträger mit Irokese teilt Flyer für die sonntägliche Kulturveranstaltung auf einem nahen Wagenplatz aus, und Andreas wiederholt seinen Tipp, „4:0 für Spanien oder 8:0 für Deutschland“. „Wir zeigen auch alle dummen Kommentare, dafür keine Nationalhymnen“ steht auf dem WM-Ankündigungsplakat am Eingang.

Die Zuschauer wirken ähnlich angespannt wie die deutsche Elf auf dem Rasen

Recht unaufgeregt nimmt das Publikum später die deutsche Niederlage auf, der Wirt spendiert – je nach Belieben zum Trost oder auch zur Freude – eine „Goaßnmaß“: einen Liter der im Süden Deutschlands populären Mixtur aus dunklem Bier, Cola und Kirschlikör. Als die leer ist, sagt der Veganer zu seinem Nebenmann: „Komm, wir gehen zum Spanier, noch einen trinken.“ SEBASTIAN PUSCHNER

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