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Archiv-Artikel

Die Sphinx nennt Steuern schädlich

Bundeskanzlerin Merkel reagiert rhetorisch auf den Widerstand aus der Union gegen Steuererhöhungen zur Finanzierung des Gesundheitswesens, schließt sie aber auch nicht aus. Die CSU schlägt vor, lieber bei den Hartz-IV-Leistungen zu kürzen

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Ein Teil der Gesundheitskosten soll künftig aus Steuermitteln finanziert werden. So viel schien bereits vor dem Spitzengespräch festzustehen, zu dem sich die führenden Politiker der großen Koalition gestern Abend im Kanzleramt trafen. Die Gesundheitsexperten von Union und SPD hatten sich darauf verständigt, für die Krankenversicherung der Kinder einen jährlichen staatlichen Zuschuss von etwa 16 Milliarden Euro einzuführen. Auf diese Weise könnten die Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zur Krankenversicherung sinken. Völlig unklar blieb jedoch bis zuletzt, ob, und wenn ja, wann für dieses Vorhaben die Steuern erhöht werden.

Kanzlerin Angela Merkel spielte vor dem Spitzentreffen ihre Lieblingsrolle: die Sphinx der deutschen Politik, die sich alle Optionen offen hält. Grundsätzlich begrüße sie die Überlegungen der Gesundheitsexperten. „Die Unionsparteien sind immer für die Entkoppelung der Arbeitskosten von den Sozialkosten eingetreten“, sagte Merkel der Welt am Sonntag. Das bleibe auch richtig. Man brauche Steuermittel für das Gesundheitswesen, sagte sie, um sofort hinzuzufügen: „Das bedeutet aber nicht zwangsläufig Steuererhöhungen in den nächsten Jahren.“ Denn, so Merkel: „Steuer- und Abgabenerhöhungen sind schädlich für das Wachstum.“

Damit ging Merkel rhetorisch auf Forderungen aus der eigenen Partei ein. Führende Unionspolitiker hatten sich vehement gegen Steuererhöhungen ausgesprochen. Merkels Aussage, es müsse „nicht zwangsläufig“ zu Steuererhöhungen kommen, ist jedoch eine Nullaussage, mit der sie sich auf nichts festlegte.

CSU-Chef Edmund Stoiber sagte zur Steuerfinanzierung der Krankheitskosten von Kindern: „Das muss Schritt für Schritt auch durch Einsparungen im Bundeshaushalt gelingen, ohne dass Steuern erhöht werden.“ Sein Berliner Statthalter, CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer, schlug in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagzeitung vor: „Wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist, muss eben bei den Hartz-IV-Mitteln gespart werden, um die Kindermitversicherung zu finanzieren.“ Zuvor hatte Ramsauer Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen selbst gefordert und angeregt, einige Leistungen nicht mehr von den Krankenversicherungen bezahlen zu lassen.

Hier dürfte der eigentliche Kern des Streits in der Koalition liegen: Wo soll gespart werden? Denn eine schnelle Steuererhöhung fordert auch die SPD nicht. Deren Fraktionschef Peter Struck sagte zur Umstellung der Finanzierung des Gesundheitswesens: „Das ist langfristig angelegt und verteilt auf drei bis vier Jahre.“