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Archiv-Artikel

Bündnis gegen Berlusconi

ITALIEN Die pauschale Sparpolitik der Regierung gefährdet vor allem Genossenschaftszeitungen und kleine Blätter

Titel wie meine Zeitung „il manifesto“ hätten ohne die Einführung einer besonderen Förderung für journalistische Genossenschaften 1990 vermutlich nicht bis heute durchgehalten. Leider begünstigte das Gesetz aber auch, dass viele falsche „Genossenschaften“ entstanden – als Fassade für höchst kommerzielle Medien

VON GUIDO AMBROSINO

Seit 30 Jahren genießt die strukturell schwache italienische Presselandschaft staatliche Subventionen – doch wegen der Wirtschaftskrise soll nun Schluss damit sein. Bedroht ist vor allem der kleine, in letzter Zeit aber gewachsene Kreis von genossenschaftlich organisierten Medien, denen die Förderung bislang das Überleben erleichtert hat.

Das Herunterfahren der staatlichen Beihilfen für Zeitungen und Zeitschriften wird begleitet von einer direkten Attacke auf die Pressefreiheit: Die Regierung Berlusconi peitscht ein Gesetz durchs Parlament, das die Veröffentlichung von in Ermittlungsakten enthaltenen Telefonmitschnitten unter drakonische Strafen stellt. Der Hintergrund: So kamen Telefongespräche von Silvio Berlusconi mit einem Beamten der Medienkontrollkommission ans Licht, in denen der Premier Zensurmaßnahmen gegen eine ihm unbequeme Fernsehsendung der RAI forderte.

Verkehrte Welt: Nicht dass sich hier der Regierungschef höchstpersönlich ins Programm einmischt, ist das Problem und gehört aus der Welt geschafft – sondern die Möglichkeit, dass so etwas öffentlich bekannt wird, gilt es unter Strafe zu stellen.

Gegen diesen doppelten Angriff – Austrocknen der Presseförderung und Einschränkung der Möglichkeiten zur Berichterstattung über strafrechtliche Ermittlungen – machen jetzt die italienischen Journalisten Front. Am Donnerstag streikten Zeitungsredakteure gegen das „Maulkorbgesetz“, am Freitag folgten ihre Radio- und Fernsehkollegen. Schließlich geht es nur um das jüngste Folterinstrument in dem unter Berlusconi im Pressefreiheitsranking auf den 73. Rang unter 195 Staaten abgerutschten Land.

Dazu droht durch die Sparmanöver von Finanzminister Guilio Tremonti auch noch ein Kahlschlag bei Genossenschaftsblättern und den kleinen Regionalzeitungen, die die Welt nicht verändern konnten – aber immerhin ein bisschen bunter machen.

Die ersten giornali cooperativi – das italienische Wort für Genossenschaft kommt von cooperare, zusammenarbeiten – entstanden aus politischer Leidenschaft für die Möglichkeiten der Selbstverwaltung. Den Anfang machte 1971 mein Blatt, il manifesto, gegründet von radikaldemokratischen Kommunisten, die aus der KPI rausgeschmissen worden waren. Damals konnte von staatlichen Beihilfen noch keine Rede sein: Es wurden für den Anfang 50 Millionen Lire gesammelt, in kleinen Scheinen bei Arbeitern, Studenten, Intellektuellen. In den Folgejahren fanden sich immer wieder Zeitungsredaktionen, die aus nackter Not das genossenschaftliche Modell von il manifesto übernahmen. So 1977 in Genua beim Corriere Mercantile, einer der ältesten italienischen Zeitungen, die seit 1824 erscheint. Als die KPI hier ihre Finanzierung strich, versuchte man es – letztlich erfolglos – mit der genossenschaftlichen Selbstverwaltung. Heute gibt es neben dem Corriere Mercantile eine ganze Reihe regionaler Tageszeitungen, die nur noch weiterexistieren konnten, weil sie zur Kooperative wurden: Seit 1985 ist Il Corriere del Giorno (Tarent) eine Genossenschaft, seit 1993 Il Corriere di Romagna (Rimini) und La Cronaca (Cremona) und seit 1999 La Voce (Mantua). Es gab sogar einige Neugründungen, wie 1996 die Abendzeitung Barisera (Bari).

Diese kleinen Titel, die für ein deutliches Mehr an Pressevielfalt sorgen, hätten ohne die Einführung einer besonderen Förderung für journalistische Genossenschaften 1990 vermutlich nicht bis heute durchgehalten. Leider begünstigte das Gesetz aber auch, dass viele falsche „Genossenschaften“ entstanden – als Fassade für höchst kommerzielle Medien, bei denen zum Beispiel die eigentlich vorgesehene Mitbestimmung der Mitarbeiter ein Fremdwort war. Oder es wurden Briefkastenfirmen für fast nie erscheinende Blätter gegründet, um Subventionen abzugreifen.

Nun sollen alle gleichermaßen abgestraft werden. Aber braucht die Pressefreiheit nicht eigentlich eine staatliche Förderung für die schwächsten Glieder in der Medienkette?

In Frankreich hat Präsident Nicolas Sarkozy in diesem Jahr sogar ein Sonderprogramm in Höhe von 419 Millionen Euro für die Presse aufgelegt, wobei mehr als die Hälfte in die Übernahme der Zustellkosten für Zeitungsabos fließen. Bis vor kurzem gab es so etwas auch in Italien, doch diese Subvention für kleine wie große Zeitungen ist schon zum 31. März abgeschafft worden.

Und jetzt stehen auch die Zuschüsse für nichtgewinnorientiert arbeitende Zeitungsverlage auf dem Spiel. Sie werden bislang bezahlt, falls ein Titel weniger als 40 Prozent seiner Kosten durch Anzeigenerlöse decken kann. In Italien, wo pro tausend Einwohnern nur 112 Zeitungsexemplare verkauft werden (in Deutschland sind es 290) und das Fernsehen ganz klar den Werbemarkt dominiert, sollte so die extreme Benachteiligung der Presse bei den Werbeeinnahmen ausgeglichen werden. Für diese direkte Förderung standen 2009 insgesamt 170 Millionen Euro zur Verfügung. Nach Tremontis Finanzplanung sind für 2011 nur noch 70 Millionen vorgesehen. Der Betrag wird also einfach mehr als halbiert, anstatt die Regeln zu ändern, um Verschwendung und Betrügereien zu vermeiden.

Dabei wäre die Lösung ganz einfach: Die Fördersumme sollte sich nach der Zahl der tatsächlich verkauften Exemplare und nicht nach der Druckauflage richten. So wäre sofort Schluss mit der Subvention fiktiver Zeitungen wie von L’Avanti, dem Phantomblatt der nicht mehr existierenden Sozialisten oder von Il Campanile, einem Titel des halbpensionierten Altchristdemokraten Clemente Mastella. Auch dem Berlusconi-treuen Foglio müsste verboten werden, als Organ einer fiktiven „Konvention für die Justiz“ im Jahr so 3,7 Millionen Euro zu erschleichen.

Derzeit sind Journalisten-Genossenschaften außerdem mit Verlagen gleichgestellt, bei denen, so das Gesetz, „die Mehrheit des Kapitals von Kooperativen oder Stiftungen ohne Gewinnstreben gehalten wird“. Nur so kann auch L’avvenire, die Zeitung der italienischen Bischofskonferenz, 6,2 Millionen Euro kassieren. Und das rechtsextreme Kampfblatt Libero, faktisch im Besitz der Unternehmerfamilie Angelucci – auf dem Papier aber mehrheitlich von einer Stiftung kontrolliert, die dem Angelucci-Clan sehr nahesteht – kommt an 7,8 Millionen. Hier könnte die Republik Italien gern ruhig etwas sparen.

Der Autor ist Deutschland-Korrespondent von „il manifesto“