: „Die Reihe ist kultig geworden“
VERLAG Ob Internationalismus, Politische Ökonomie oder Polyamorie: die Reihe „theorie.org“ bietet Einführungen in linke Theorie
■ Wo: Die Reihe theorie.org erscheint seit 2002 im Schmetterling-Verlag und auf der Homepage www.theorie.org
■ Was: 13 Bände, u.a. „Kritische Theorie“, „Feministische Theorie“, „(Post-)Operaismus“
■ Wer: Paul Sandner ist im Schmetterling-Verlag zuständig für Politisches Buch
■ Serie: In loser Folge werden an dieser Stelle Verlage vorgestellt, die linke Theorie veröffentlichen
taz: Herr Sandner, warum hat der Schmetterling Verlag die Reihe „theorie.org“ gegründet?
Paul Sandner: Mit unserem thematischen Schwerpunkt, dem Trikont, wurde es immer schwieriger. Die Debatten rund um dieses Thema und das Publikum dafür wurden immer weniger. Insgesamt sind in den vergangenen Jahren viele linke Theoriediskurse verschwunden. Anders als in den 1970er und 1980er Jahren gibt es kaum noch Gruppen, in denen linke Theorie vermittelt wird. Deshalb haben wir diese Reihe ins Leben gerufen. Sie soll einen leichten Einstieg in zentralen Themen linker Theorie bieten, dabei keine akademische Sprache pflegen und die Leser dahin bringen, die Klassiker und Originaltexte zu lesen.
Welche Idee steckt hinter dem Namen der Reihe, der aus einer Internetadresse besteht?
Ursprünglich war der Gedanke, dass die Autoren auf der Homepage weitergehende Texte anbieten. So ist das Ergänzungskapitel der zweiten Auflage der „Kritik der politischen Ökonomie“ auf www.theorie.org umsonst nachzulesen. Dort stellen wir auch ein Gesamtregister zur Verfügung, mit dem man gezielt nach Begriffen in allen Bänden suchen kann. Außerdem gibt es ein Blog, in dem diskutiert werden könnte.
Könnten?
Es hat sich herausgestellt, dass ein Blog kein geeigneter Ort ist, um eine inhaltlich fruchtbare Debatte zu führen. Diskussion haben einzelne Bände aber trotzdem an anderen Orten ausgelöst.
Nach welchen Kriterien wählen Sie die Themen aus?
Der Verlag plant Titel und Themen, schreibt Exposés und sucht Autoren. Die Reihe ist mittlerweile so attraktiv geworden, dass Autoren von sich aus Themen für diese Reihe anbieten. Aber wir nehmen bei Weitem nicht alles. Manchmal läuft es auch so wie bei dem geplanten Bändchen zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Von dem Autor habe ich selbst einen Vortrag darüber gehört und ihn danach angesprochen, ob er nicht für unsere Reihe ein Buch daraus machen möchte. Uns geht es nicht darum, einen wissenschaftlichen Streit in der Ecke des Marxismus auszufechten. Wir versuchen, eine vernünftige mittlere Linie zu fahren, die viele Leute nachvollziehen können.
Sie wollen zentrale Themen linker Debatten aufgreifen. Was ist an Maoismus und Trotzkismus aktuell?
Maoismus und Trotzkismus sind zwar nicht mehr aktuell, aber es gibt heute viele junge Linke, die fragen, was vor 30 Jahren diskutiert wurde und was daran für eine linke Gesellschaftskritik heute aktualisiert werden kann. In dem Band zum Maoismus geht es auch darum, welche Form linker Opposition es heute in China gibt und welche Diskurse dort gepflegt werden. Aktuelle linke Diskurse liefern aber sicherlich auch die Bände zu Poststrukturalismus und politischer Ökologie, die derzeit vorbereitet werden.
Wie ist die Resonanz auf Ihre Reihe?
Überraschend gut. Wir haben bisher 40.000 Bücher verkauft. Der Spitzenband, Michael Heinrichs „Kritik der politischen Ökonomie“, ist bereits in der 8. Auflage. Das ist für dieses Thema heutzutage unglaublich viel.
Wer kauft Ihre Bücher?
Bei der Feier zum 1. Mai im Klara-Zetkin-Waldheim in Stuttgart habe ich aus der Reihe theorie.org kein einziges Buch verkauft. Dafür „Spanisch für Besserwisser“. Auf dem Bundeskongress Internationalismus in Tübingen haben mir junge Studenten die Remittenden aus den Händen gerissen. Wenn man das überhaupt sagen kann, dann ist es wohl eher die junge akademische Linke, die unsere Bücher kauft.
Sehen Sie theorie.org als Konkurrenz zu Verlagen wie Merve und diaphanes, die ebenfalls linke Theorie und Philosophie veröffentlichen?
Nein, die Reihe ist kultig geworden und hat ihre eigenen Fans. Alle Bände haben ein schickes Layout mit neonfarbener Schrift auf schwarzem Hintergrund. Alle kosten 10 Euro, egal wie dick oder dünn sie sind.
INTERVIEW: DORIS AKRAP