: Potente Runde
RADSPORT Der Weltverband will mit einer gut ausgestatteten Kommission Dopingaltlasten anpacken
Die UCI will groß aufräumen. Etwa ein Drittel seiner jährlichen Einnahmen stellt der Weltradsportverband seiner neu gegründeten Reformkommission zur Verfügung. Sie soll die Dopingvergangenheit umfassend aufklären. Das betrifft die auch die Vertuschungspraktiken von Funktionären. „Diese Kommission soll die Probleme untersuchen, die der Radsport in den vergangenen Jahren hatte, und dabei besonders die Anschuldigungen über Fehlverhalten der UCI selbst“, erklärte der neu gewählte Präsident Brian Cookson. Er spielt mit dieser Bemerkung auf vermutete Geldzahlungen einzelner Spitzenprofis an die UCI an, damit diese positive Dopingtests unter den Tisch fallen ließ. Verdachtsmomente waren bei den Ermittlungen der US-Antidopingbehörde Usada gegen Lance Armstrong aufgetaucht. Armstrong selbst hatte diesen Verdacht bestätigt.
Der damalige UCI-Präsident Hein Verbruggen habe „von meinen Dopingpraktiken gewusst und mir geholfen, sie zu verbergen“, sagte Armstrong. Er bezeichnete Verbruggen als „eine der Personen, die mir halfen, die Tour de France 1999 trotz eines positiven Dopingtests zu beenden“. Verbruggen, Präsident von 1994 bis 2005, wies die Vorwürfe als „Bullshit“ zurück. Überzeugende Erklärungen für Geldzahlungen Armstrongs über insgesamt 125.000 Dollar in den Jahren 2002 und 2007 hatten aber weder er noch sein Nachfolger Pat McQuaid.
Jetzt soll die mit 2,4 Millionen Euro ausgestattete Reformkommission die wahren Umstände dieser Zahlungen aufklären. Die Reputation der Männer, die an ihre Spitze berufen wurden, lässt auf einen Erfolg hoffen. Der Vorsitzende Dick Marty, ein früherer Schweizer Staatsanwalt, hat im Auftrag des Europarats gegen Menschenrechtsverletzungen der USA ermittelt. Er untersuchte die Praxis der Geheimgefängnisse der CIA in Europa und legte sich offen mit US-Präsident Obama wegen des Gefangenenlagers Guantánamo an. Der zweite Berufene, der frühere australische Offizier Peter Nicholson, ermittelte unter anderem im UNO-Auftrag zum Attentat auf den libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri. Der deutsche Sportrechtsexperte Ulrich Haas bringt das nötige Fachwissen mit. Er machte sich einen Namen als Richter im Sportschiedsgericht Cas und setzte unter anderem die zweijährige Dopingsperre gegen den spanischen Radprofi Alejandro Valverde durch.
Das prominent besetzte Gremium hat allerdings nur begrenzte Befugnis. Es kann Sportlern, die bislang nicht von Dopingverfahren betroffen waren, nun aber reinen Tisch machen wollen, Straferlass oder Strafermäßigung zubilligen. Schon verurteilten Dopingtätern hingegen kann sie nichts versprechen. Deren Neigung zur Aussage dürfte daher begrenzt sein. Das deutete sich bereits im Falle Armstrongs an. Hatte er in den vergangenen Wochen lauthals seine Bereitschaft verkündet auszusagen, so sagte er jetzt: „Niemand hat Kontakt mit mir aufgenommen“. Bei hartgesottenen Funktionären wie Verbruggen kommt es vor allem auf Vernehmungsgeschick an. Echte Druckmittel gibt es kaum. Allenfalls der Ehrenvorsitz der UCI könnte ihm aberkannt werden, womöglich auch sein Sitz im IOC.
Wenn es die aktuelle UCI-Führung nicht nur auf Greise, sondern auch auf Männer im besten Leistungssportalter abgesehen hat, dann kann sie gleich im Frühjahr handeln. Wie gewohnt findet sich in Kürze auf dem Kanaren-Gipfel Tejde die gesamte Rundfahrt-Elite von Chris Froome über Alberto Contador bis Vincenzo Nibali zum Training ein. In den vergangenen Jahren blieben die Profis bei ihrem dortigen Aufbauprogramm weitgehend unbehelligt von Dopingkontrolleuren. Wenn in diesem Jahr ein von der Weltantidopingagentur Wada akkreditiertes Kontrolllabor am Rande des erloschenen Vulkans stehen und die relevanten Blut-, Steroid- und Hormonanalysen vornehmen würde, wäre das ein Schritt zu verbesserter Glaubwürdigkeit. TOM MUSTROPH
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