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Archiv-Artikel

„Die Exoffiziere rüsten zum Gegenschlag“

Ehemalige Stasimitarbeiter drängt es mit ihrer Sicht der DDR-Geschichte immer mehr an die Öffentlichkeit. Sie wollen die Stasi als ganz normalen Geheimdienst rehabilitiert sehen. Das war sie aber nicht, sagt Christoph Links

taz: Herr Links, neuerdings treten ehemalige Stasimitarbeiter öffentlich in Erscheinung und verkünden, die DDR sei ein Rechtsstaat gewesen. Was sind das für Leute?

Christoph Links: Es begann im Grunde 2003, als der Verlag Edition Ost das zweibändige Werk „Die Sicherheit“ herausbrachte. Es war das erste Mal, dass die alte Stasigeneralität der Öffentlichkeit ihre Sicht der Geschichte präsentierte. Und die ist phänomenal – denn alle wollen sie Friedenskämpfer gewesen sein, die mit rechtsstaatlichen Mitteln agiert und überhaupt nur das Beste gewollt haben.

Diese Publikation ist zwar als Aufreger in den Medien wahrgenommen worden, doch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den teils grotesken Thesen gab es nicht. Nachdem das sozusagen gut über die Bühne gegangen war, ist die frühere Generalität jetzt in einem zweiten Schritt aus der Anonymität der Papierschreiber in die Öffentlichkeit des persönlichen Auftritts getreten. Sie erscheinen inzwischen demonstrativ bei Lesungen und Museumsbesuchen. Erst jetzt gibt es einen Aufschrei. Nun wird endlich wahrgenommen, was seit Jahren bekannt ist.

Diese Gruppen, etwa die „Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung“ (GRH), gibt es schon seit rund 15 Jahren. Was ist das Neue?

Neu ist, dass die Exstasimitarbeiter nach vielen kritischen Publikationen über die DDR und die Stasi jetzt zum Gegenschlag ausholen. Sie haben ihre alten Führungsleute zusammengetrommelt, um zu zeigen, dass das MfS ein rechtsstaatlich legitimiertes Organ war, so wie das andere Staaten auch haben.

Nun hat aber jeder Staat tatsächlich seinen Geheimdienst.

Die alten Stasioffiziere verkennen zwei Dinge: Sie wollen nicht wahrhaben, dass die Stasi vor allem ein Instrument zur Unterdrückung der Opposition war. Und sie versuchen rückwirkend, Dinge zu rechtfertigen, die selbst nach DDR-Recht kriminell und unzulässig waren.

Zum Beispiel?

Bis heute sind die Umstände, unter denen 1981 Matthias Domaschk in der Stasihaft in Gera ums Leben kam, ungeklärt. Und die Leute, die für die Untersuchungshaft bei der Stasi zuständig waren, behaupten jetzt, das wäre der humanste Strafvollzug gewesen, den man sich vorstellen kann. Dass sie dabei besonders streng waren, erklären sie damit, dies habe dazu beigetragen, die Selbstmordrate niedrig zu halten. Sie sind geradezu stolz darauf, dass sich durch die strenge Überwachung in den Stasiknästen weniger Menschen umgebracht haben als in den Gefängnissen der Bundesrepublik.

Die Exoffiziere haben sich eine krude Argumentation zur eigenen Rechtfertigung zurechtgelegt. Sie haben auch nichts zu verlieren, denn sie sind in der Regel arbeitslos oder Rentner.

Ihr Versuch, die DDR-Geschichte umzudeuten, scheint politisch Wirkung zu zeigen: Bei einer „Kundschaftertagung“ Ende Mai waren auch die Linkspartei-Politiker Ulla Jelpke und Kerstin Kaiser dabei.

Ich glaube nicht, dass dies etwas über die ganze Linkspartei aussagt. Es gibt viele Kräfte dort, die sich deutlich von den Unrechtspraktiken in der DDR distanziert haben. Es mag Einzelne geben, die aus persönlichen Verbindungen heraus Kontakt zu solchen Gruppen halten. Vielleicht wollen auch einige dort auf Stimmenfang gehen. Nach meiner Wahrnehmung gibt es in der Linkspartei keine breite Unterstützung für die Stasiführung.

Manche fordern, in Berlin solle der Verfassungsschutz die GRH beobachten. Was kann eine Überwachung bewirken?

Dieser Vorschlag ist vollkommen absurd. Diese Leute wollen doch nicht die Verfassung untergraben: Die wollen doch nur rückwirkend ihr eigenes Tun in einem milden Licht dargestellt sehen. Der Verfassungsschutz ist das denkbar falscheste Instrument. Man muss der verlogenen Sichtweise dieser Leuten mit Argumenten Paroli bieten. Etwa die Behauptung, das MfS habe keinesfalls Terror unterstützt. Das ist komplett widerlegt. In den Prozessen um die Anschläge auf das Maison de France in Berlin oder beim Prozess um den Terroristen Johannes Weinrich ist die Rolle des MfS als Unterstützer von Terroranschlägen eindrücklich nachgewiesen worden.

INTERVIEW: WOLFGANG GAST