: Plan für geregelte Staatspleiten
KRISE Die Finanzminister der Eurozone beraten heute und morgen über Konsequenzen aus der Eurokrise. Bundesregierung erarbeitet Konzept
HAMBURG dpa | Die Bundesregierung arbeitet an einem Insolvenzplan für überschuldete Staaten der Eurozone. Nach einem Spiegel-Bericht will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem Konzept zur Umschuldung erreichen, dass künftig bei drohenden Staatspleiten nicht allein die Steuerzahler, sondern auch private Investoren ihren Anteil an einem Rettungsplan mittragen.
Eine Umsetzung gilt jedoch als schwierig, da für die erforderliche Änderung der Europäischen Verträge jedes einzelne EU-Mitgliedsland seine Zustimmung erteilen müsste. Anlass für die Überlegungen sind die Griechenland-Krise und die daraus entstandene Unsicherheit an den Märkten, die nur durch ein 750 Milliarden Euro schweres Rettungspaket gebannt werden konnte. Für diese Summe, die im Notfall für zahlungsunfähige Euroländer zur Verfügung stünde, bürgen in letzter Instanz die Steuerzahler.
Kann ein Euroland seine Schulden nicht mehr bedienen, soll nach Merkels Konzept vereinbart werden, dass die Inhaber von Anleihen des jeweiligen Staates beispielsweise einer Laufzeitverlängerung zustimmen, sich mit niedrigeren Zinszahlungen zufriedengeben oder eine Rückzahlung der Anleihe zu einem Kurs von weniger als 100 Prozent in Kauf nehmen. Im Finanzjargon heißt eine solche Lösung „Haircut“ (Haarschnitt).Ein Sprecher des Bundespresseamtes wollte keine Details „zu internen Papieren“ nennen. Er bestätigte aber die Forderung der Kanzlerin, ein Verfahren für eine „geordnete staatliche Insolvenz“ zu entwickeln. Am heutigen Montag kommen in Brüssel die Finanzminister des Euroraums zu einem Treffen zusammen, bei dem auch Konsequenzen aus der Schuldenkrise der Euroländer diskutiert werden sollen.
Die Überlegungen im Kanzleramt beruhten auf Vorarbeiten aus dem Finanz- und dem Justizministerium, berichtet der Spiegel. Neben privaten Investoren – Banken, Fonds und Versicherungen, aber auch Kleinanleger – sollen im Gegenzug auch die Schuldenländer selbst höhere Lasten tragen und unter bestimmten Umständen sogar Mitbestimmungsrechte an eine Art Insolvenzverwalter abtreten.
„Der Privatsektor soll in die Verfahren eingebunden werden, um die finanziellen Lasten nicht allein dem Steuerzahler aufzubürden“, heißt es in dem Konzept. Insolvenzen von europäischen Industrieländern, die vor Kurzem noch als schwer vorstellbar galten, sollen damit in der Abwicklung denen von Unternehmen ähnlicher werden.
Für die Umschuldung selbst könnte den Überlegungen zufolge ein neu zu gründender, von der Politik unabhängiger „Berliner Club“ verantwortlich sein – analog zum 1956 ins Leben gerufenen „Pariser Club“, der mit dem Fokus Entwicklungs- und Schwellenländer die Umschuldung und den Schuldenerlass zwischen Staaten regelt. Eine Schlüsselrolle soll außerdem der Internationale Währungsfonds (IWF) spielen. Dieser ist zu einem Drittel an dem 750-Milliarden-Euro-Rettungsschirm beteiligt.