: Österreichs neuer Politstar
Wie schlecht muss es um eine Partei bestellt sein, deren Hoffnungsträger ein 27-jähriger Student ist? Sebastian Kurz, der am Mittwoch zu seinem Antrittsbesuch in Berlin war, ist nicht nur der beliebteste Politiker der bürgerlichen ÖVP, er ist auch der jüngste Außenminister der Welt. Geerbt hat er dieses Amt von Parteichef und Vizekanzler Michael Spindelegger, der sich in seinem neuen Amt als Finanzminister mehr politisches Gewicht verspricht. Denn Außenpolitik war in den letzten Jahren kein Ressort, mit dem man sich in Österreich profilieren konnte.
Sebastian Kurz kann daher nicht viel falsch machen, obwohl ein vernehmliches Seufzen im diplomatischen Corps die Ernennung des Jungspunds begleitete. Seinen ersten Arbeitsbesuch in Kroatien erledigte er mit Bravour. In Strategiesitzungen zu einer Neuausrichtung der Außenpolitik begab er sich mit Begeisterung. Auch von der entwicklungspolitischen Szene wurden seine ersten Äußerungen über die beschämende Entwicklungs- und Katastrophenhilfe hoffnungsvoll gehört.
Der Jurastudent im 19. Semester machte in der Wiener Jungen ÖVP Karriere. Im Wiener Wahlkampf 2010 wurde die Öffentlichkeit erstmals auf Kurz aufmerksam, als er unter dem Slogan „Schwarz macht geil“ schwarze Präservative verteilte.
Seine Stunde schlug wenige Monate später, als die ÖVP ihr Regierungsteam umbildete und ein Staatssekretariat für Integration schuf. Das wurde mit dem 24-Jährigen besetzt.
Anfängliche Skepsis gegenüber dem fachlich unerfahrenen Kurz wich bald einem gewissen Respekt. Denn dem umtriebigen Staatssekretär gelang es, der rechten FPÖ die Themenführerschaft über das Ausländerthema zu entwinden und die Debatte zu versachlichen. Für ihn führt Integration in erster Linie über den Spracherwerb. Nach dem Motto „Integration durch Leistung“ legte er nach kurzer Zeit schon einen Katalog mit Vorschlägen zur „schrittweisen Verbesserung“ der Lage von Zuwanderern vor.
Eine echte Entschärfung des Fremdenrechts war ihm kein Anliegen. Denn er versteht es, frischen Wind zu fächeln, ohne gegen die konservative Parteilinie aufzubegehren. RALF LEONHARD