: NRW-Agrarminister definiert Naturschutz neu
In Nordrhein-Westfalen müssen für Gewerbegebiete künftig weniger Naturschutzflächen ausgewiesen werden
DÜSSELDORF taz ■ Nordrhein-Westfalens Agrarminister Eckhard Uhlenberg (CDU) plant ein neues Landschaftsgesetz: Investoren sollen künftig ohne Hürden bauen dürfen. Deswegen will er die so genannte Eingriffsregelung ändern. Sie schreibt bundesweit ökologische Ausgleichsflächen für neue Straßen oder Gewerbegebiete vor.
Der Gesetzentwurf sei ein „Generalangriff auf Natur und Landschaft“, kritisiert Dirk Jansen vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). Ausgleichsflächen soll es demnach nur noch im Verhältnis 1:1 geben – bisher mussten sie bis zu zweieinhalbmal so groß sein wie die bebauten Areale. Denn es stellte sich ein Problem: Langsam wurden die freien Flächen knapp, die noch als Naturschutzgebiete ausgewiesen werden konnten. Die Lösung: Jetzt sollen bestehende Schutzgebiete „aufgewertet“ werden. So sollen etwa Nadelwälder in ökologisch wertvollere Laufwälder umgewandelt oder „Sonderbiotope“ wie Tümpel und Gräben angelegt werden. Bei der Neunutzung alter Industriebrachen wird gar kein Ausgleich mehr vorgeschrieben. Der Bau von Kanalleitungen gilt nicht mehr als Eingriff in die Natur.
Mit der Novelle würden viele Verbesserungen der ehemaligen rot-grünen Landesregierung rückgängig gemacht, kritisiert Jansen. So sei das Klage- und Mitwirkungsrecht der Naturschutzverbände in Nordrhein-Westfalen wesentlich fortschrittlicher als auf Bundesebene geregelt. Bisher konnten die Verbände etwa gegen die Entnahme von Grundwasser im Braunkohletagebau klagen.
„Uhlenberg nimmt langfristig sogar Verstöße gegen höherrangige Rechtsvorschriften in Kauf“, so Jansen. Denn die EU habe die Rechte der Umweltverbände bereits mit der Beteiligungsrichtlinie gestärkt, die es etwa erlaubt, auch gegen Müllverbrennungsanlagen zu klagen.
Die Eingriffsmöglichkeiten sind in jedem Bundesland anders geregelt. So gibt es etwa in Rheinland-Pfalz und Bayern die so genannten Ökokonten: Land oder Gemeinden können im Voraus Ausgleichsflächen zu Gewerbegebieten oder Straßen bereitstellen oder ökologisch aufwerten. Auch NRW will solche Ökokonten einführen.
Die Eingriffsregelung konnte NRW abschwächen, auch ohne die Föderalismusreform abzuwarten, die morgen den Bundesrat passieren wird. Doch für die Zukunft fürchten die Umweltverbände, dass die Länder im Wettlauf um den günstigsten Wirtschaftsstandort den Naturschutz weiter herunterschrauben. Denn dann dürfen sie die Rahmengesetzgebung des Bundes komplett ignorieren. „Niedersachsen hat schon verkündet, die Eingriffsregelung ganz abzuschaffen“, sagt Cornelia Ziehm von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). In Schleswig-Holstein sei Ähnliches zu befürchten.
Das NRW-Umweltministerium bestreitet den Vorwurf, die Standards abzusenken. „Die Befürchtung, dass die Föderalismusreform zu Umweltdumping führen könnte, ist auszuschließen“, versichert Uhlenbergs Sprecher. GESA SCHÖLGENS