: Das Gesundheitsleck
Für die Kinderversicherung will der Staat 1,5 Milliarden beisteuern, doch der Finanzminister weiß nicht, woher
BERLIN taz ■ Der Gesundheitsfonds weist jetzt schon Löcher auf. Ab 2008 soll das Kompromissprojekt von SPD und Union als zentrale Einsammel- und Austeilstelle für die Beiträge der Versicherten starten. Aber die 1,5 Milliarden Euro, die der Staat für die Versicherung der Kinder beisteuern will, fehlen. Insgesamt kostet die Kinderversicherung 16 Milliarden. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat keinen einzigen Euro übrig. „Das lässt sich nicht aus dem laufenden Haushalt finanzieren“, sagte Steinbrück gestern bei der Vorstellung des Haushaltsentwurfs für 2007. Anders als Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) schloss er Steuererhöhungen bis 2009 aus.
Für diesen Termin haben die Koalitionspartner drei Milliarden Euro an Steuermitteln fürs Gesundheitssystem luftgebucht. Allein in dieser Legislaturperiode fehlen Steinbrück also 4,5 Milliarden für das Ressort von Ulla Schmidt (SPD), und schon gibt es Befürchtungen, dass der Finanzminister sogar weitere Löcher im Gesundheitstopf stopfen muss. Der ehemals Zuständige Horst Seehofer (CSU), der aktuell dem Verbraucherministerium vorsteht, meinte gestern im Münchner Merkur, dass 5 Milliarden Euro über die bekannten Steuerzuschüsse hinaus aufzubringen seien.
Im Eckpunktepapier zur Gesundheitsreform, das der Koalitionsausschuss unter Führung von Angela Merkel Sonntagnacht aushandelte, steht der Passus, dass unvermeidbare Kostensteigerungen durch den medizinischen Fortschritt und die demographische Entwicklung zuerst über den vereinbarten aufwachsenden Zuschuss aus Haushaltsmitteln ausgeglichen werden. Die SPD-Gesundheitssprecherin Carola Reimann, die den Entwurf mit erarbeitet hatte, bestätigte, dass sich SPD und Union in den Vorverhandlungen einig waren, einen Puffer zu schaffen, um eine Erhöhung der Zusatzbeiträge abzufedern. „Wenn man das will, muss man auch den Mut haben, Steuermittel in gewisser Höhe bereitzustellen“, sagte Reimann zur taz. Der Gesundheitsfonds soll 95 Prozent der Krankenkassenausgaben decken, 5 Prozent müssen die Kassen sparen oder durch Zusatzbeiträge, etwa eine Kopfpauschale, einkassieren.
Der Regierungsberater und Gesundheitsfachmann Jürgen Wasem hat errechnet, dass medizinischer Fortschritt und die Alterung der Gesellschaft den Gesamtetat für die gesetzliche Krankenversicherung jährlich um etwa eineinhalb Prozent anwachsen ließen. Rund zwei Milliarden Euro müsste Steinbrück also 2008 für die Gesundheit abzweigen, ohne dass damit ein einziges Kind versichert wäre.
ANNA LEHMANN