: Kernkraft kritikfrei
Energietag der Ruhr-Uni Bochum stellt Kernenergie in den Mittelpunkt. Attac empört: „Forschung nicht neutral“
Kurz nach dem 20. Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl dreht sich an der Ruhr-Uni Bochum (RUB) alles um die Kernenergie. Das Energieforum der RUB lud gestern etwa 140 Gäste zum 4. Bochumer Energietag unter dem Titel: „Herausforderung Kernenergie im 21. Jahrhundert“. Im Energieforum forschen mehr als 130 Wissenschaftler aus zehn Fakultäten rund um das Thema Energie, darunter auch Psychologen und Juristen.
Die Attac-Gruppe Campus Bochum ist empört, dass die Ruhr-Uni der Kernspaltung ein Forum bietet. „Die Veranstaltung erweckte den Anschein, dass diese Technologie sicher und beherrschbar sei und eine umweltfreundliche Alternative zu fossilen Energien darstelle“, kritisiert Stefan Sonneck von Attac. Forschung müsse „absolut neutral“ sein – gerade das sei aber an der Bochumer Universität nicht mehr der Fall.
In der Tat bot das Programm des Energietags für Kritik an der Kernenergie oder Alternativen keinen Raum: Auf der Tagesordnung standen etwa „Aktuelle Fragen des Kernenergierechts“, der Referent arbeitet für die RWE Power AG. Diskutiert wurde auch über mögliche Bautechniken, um Kernkraftwerke sicherer zu machen. „Eine Tagung kann auch sachlich und wissenschaftlich neutral sein, wenn niemand anwesend ist, der das Gegenteil sagt“, verteidigt Organisator Hermann-Josef Wagner von der Fakultät für Maschinenbau die Referenten.
Beim Energietag im vergangenen Jahr habe man sich auch mit alternativen Energien wie der Windkraft beschäftigt. Wagner selbst glaubt aber an die Zukunft der Kernkraft: „Der Kernenergie wird neben den fossilen und regenerativen Energien in den nächsten Jahrzehnten eine maßgebliche Rolle bei der Energieversorgung zukommen.“ Zwar wolle die Bundesregierung am Ausstieg festhalten. „Studien gehen aber alle davon aus, dass Kernkraft zumindest außerhalb von Deutschland weiterhin genutzt wird.“ Der Ausstieg entbinde zudem nicht von der Sorgfalt, die Kernkraftwerke „bis zum letzten Tag sicher zu betreiben“. Und dazu solle die Tagung einen Beitrag leisten.
Für Frants Fernon von Attac bleibt die Kernenergie dennoch eine „überholte und unbeherrschbare Technologie“, die an der Uni nichts zu suchen hat. „Die RUB steht für den Strukturwandel. Die Kernspaltung ist höchstens Thema für den Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte.“ GESA SCHÖLGENS