: Waschen, saugen, beten
In Bayern versöhnen neuerdings Autowaschanlagen Religion und Sauberkeit
Andreas Kotzinger aus Michlharting ist von der neuen Autowaschanlage am Ortsrand restlos begeistert. Wenn der Landwirt aus dem 130-Seelen-Dorf im Chiemgau sonntags in der „Wasch Alm“ vorfährt, wird er dort stets freundlich begrüßt, das Personal schraubt die Antenne ab, reinigt den Wagen gründlich vor, fährt ihn durch die Anlage, ledert ihn dann ab, schraubt die Antenne wieder an und übergibt das Auto dann mit freundlichen Worten. Der Clou: Für diesen Full-Service verlangt der Betreiber der „Wasch Alm“ gerade mal 3,70 Euro. „Früher musste ich am Sonntag immer über die Grenze nach Österreich zum Autowaschen – jetzt bleibt das Geld in der Region.“
Möglich geworden ist die Urbarmachung der Servicewüste Bayern durch die Aufhebung des bisher im Freistaat geltenden Verbots des Betriebs von Autowaschanlagen an Feiertagen und Sonntagen zum 1. Juni 2006. Mit Erfolg, denn seitdem ist der Tank- und Waschtourismus hinüber ins Österreichische stark zurückgegangen. Katholische und evangelische Kirche hatten vergebens gegen die Liberalisierung des Feiertagsgesetzes in Bayern protestiert. Sie befürchteten eine massive Abwanderung von potenziellen Kirchgängern zum „modernen Götzendienst an den Blechgötzen der Neuzeit“, wie es Domkaplan Ringhuber treffend formulierte. Der dramatische Einbruch an Gottesdienstbesuchern seit dem 1. Juni zwingt die bayerischen Kirchen nun zu unkonventionellen Gegenmaßnahmen.
Einen ersten zaghaften Versuch wagte die Kirchgemeinde Tittmoning mit der Einführung eines „Tankgottesdienstes“, mit dem PS-Gläubige und Gottesfreaks an einer gemeinsamen Zapfsäule neue Hoffnung schöpfen sollten. Die Einweihung der Sakral-Tankstelle geriet Pfarrer Helmbold denn auch gleich zum großen Erfolg. Über 500 trostsuchende Motorfreunde kamen aus nah und fern, um dem benzingeschwängerten „Glaubensevent“ beizuwohnen, bei dem es den Sprit fünf Cent pro Liter billiger gab und die Scheiben von zwei endlich einmal begeistert zu Werke gehenden Ministranten kostenlos gesäubert wurden.
Neue Wege schlägt auch die Pfarrgemeinde Geretsbeuren ein, die seit Jahren mit massivem Gläubigenschwund zu kämpfen hat. „Die Umwidmung der Pfarrkirche in die Autowaschkirche St. Florian war ein radikaler Schritt, bei dem viele traditionsbewusste Allgäuer innerlich zusammenzuckten“, berichtet Pfarrer Alois Kieneseder, „aber die Maßnahme hat sich mittlerweile als Volltreffer herausgestellt.“ Die gelungene Integrierung der hochmodernen Waschanlage in die spätbarocke Basilika war eine architektonische Meisterleistung, die dem Kunden ein völlig neues Glaubenserlebnis vermittelt. Innere und äußere Reinigung ist das Leitmotiv der ersten Autowaschkirche Deutschlands. Während Textilstreifen mit Hilfe eines speziell entwickelten Weihrauch-Schaumbads das Fahrzeug schonend reinigen, verfolgt der Fahrer im integrierten Dolby-Surround-Sound die Messe. Wenn zum Schluss dann das Auto per Gebläse annähernd tropfenfrei getrocknet wird und schließlich die neben dem Altar angebrachte Ampel auf Grün schaltet, ist es Zeit, die Waschanlage beim Klang des Halleluja zu verlassen.
Der hier geschilderte Waschvorgang bezieht sich ausschließlich auf die Wahl der Grundwäsche, des einfachsten und preisgünstigsten Programms der Autowaschkirche. Es besteht selbstverständlich eine wesentlich größere Auswahl: So kann man zwischen vier weiteren frei kombinierbaren Programmen wählen: Lackvorreinigung, Heißwachsbehandlung, Unterbodenwäsche und Felgenreinigung. Das Nonplusultra bietet allerdings das Programm „Holy Shine“. Es verbindet die Grundwäsche mit allen Zusatzprogrammen und liefert den ultimativen Säuberungs- und Läuterungseffekt für schlappe 14 Euro. Auch wenn Kritiker bemängeln, die spätbarocke Umgebung der Waschanlage sei nicht ganz auf der Höhe der Zeit, so wird das für manche irritierende Nebeneinander von Vergangenheit und Moderne durch das kompetente und überaus freundliche Personal mehr als wettgemacht.
Eine große Herausforderung an die Logistik stellt schließlich auch der für den September geplante Besuch von Papst Benedikt XVI. in seiner bayerischen Heimat dar. Xaver Bosl, Gemeindepfarrer und Betreiber der Wash-’n’-pray-Station an der B 12 in Marktl am Inn, dem Geburtsort des Papstes, weiß selbstverständlich um die Bedeutung des hohen Besuchs für die künftigen Geschäfte. Doch der umtriebige Gottesmann, dessen Autowasch-Messen mit anschließendem Glaubens-TÜV sich in der Region großer Beliebtheit erfreuen, hat ein Problem: So ist es in seiner Waschanlage nicht möglich, Geländefahrzeuge reinigen zu lassen. Zudem ist Pkws mit einer Höhe von über 1,80 Metern keine Einfahrt gestattet. So droht sein erklärtes Ziel, Benedikts Papamobil mit seinem legendären Schaumglanz-Programm reinigen zu wollen, an schnöden technischen Beschränkungen zu scheitern. „Aber vielleicht kommt der Papst ja trotzdem vorbei“, sinniert der geschäftstüchtige Seelentröster, „dann kann ich ihm ja zumindest den Fahrzeughimmel shampoonieren.“ RÜDIGER KIND