: Dicht für tausend Jahre
TECHNIK Einem dänischen Modell zufolge kann sich die unterirdische CO2-Lagerung als ähnlich riskant erweisen wie die Endlagerung von Atommüll
STOCKHOLM taz | Mit dem Gesetzentwurf zur CO2-Lagerung setzt die Bundesregierung eine EU-Richtlinie um. Das ist die Voraussetzung, dass Modellanlagen, etwa vom Stromkonzern Vattenfall, in Deutschland von der EU bezuschusst werden. Die EU-Kommission will in den kommenden Jahren 6 Milliarden Euro dafür ausgeben. Und nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur IEA sind in den letzten zwei Jahren weltweit rund 20 Milliarden Euro in solche Projekte geflossen.
Gary Shaffer, Geophysiker am Niels-Bohr-Institut der Universität Kopenhagen, bezweifelt, dass das Geld gut angelegt ist. Zwar sei das CCS-Verfahren noch eines der erfolgversprechenderen GeoEngineering-Projekte, um eine extreme Erderwärmung zu vermeiden. Doch es berge Gefahren, die man durchaus mit denen, die von Atommülllagern ausgehen, vergleichen könnte.
Allenfalls 1 Prozent CO2 dürften solche unterirdischen Lager in den nächsten tausend Jahre freisetzen, hat Shaffer errechnet – sollten sie nicht künftigen Generationen das Problem der Erderwärmung aufhalsen. Und ein solches 1-Prozent-Ziel könne keine der bislang diskutierten technischen Lösungen seriöserweise auch nur annähernd garantieren.
Shaffer benutzte ein beim dänischen „Center for Earth System Science“ (DCESS) entwickeltes Analysemodell, um verschiedene Szenarien möglicher Leckage-Werte bei unterschiedlichen Lageralternativen zu berechnen. Vor der bislang als vielversprechend debattierten Lagerung in leer gepumpten Öl- oder Gaskavernen unter dem Meeresboden hält der Geophysiker gar nichts: Nicht zuletzt die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko beweise, wie unsicher Vorhersagen gerade für die Sicherheit solcher Speicher seien und wie unbeherrschbar ein mögliches explosionsartiges Freiwerden von Kohlendioxid werden könnte. Hielten diese Kavernen nicht dicht, könne dies einen schnellen Anstieg des Meeresspiegels und eine umfassende Versauerung der Meere mit katastrophalen Auswirkungen für das Leben im Meer zur Folge haben.
Ein größeres Potenzial verspreche, so Shaffer, womöglich die Lagerung an Land in Salzformationen. Doch seien diese wiederum äußerst unterschiedlich aufgebaut. Umfassende Einzelanalysen seien daher notwendig. Und es gebe die Gefahr der Grundwasserverseuchung. Entscheidend sei letztendlich, wie „dicht“ solche Lager wirklich hielten. Werde jeweils in einem Zehnjahreszeitraum auch nur 1 Prozent des CO2 wieder frei, seien diese Lager für den Zweck einer Verlangsamung der Erderwärmung sogar kontraproduktiv. Berücksichtige man den erforderlichen Energieaufwand für die CCS-Technik, sei es besser, diese erst gar nicht erst anzuwenden. Auch ein 1-Prozent-Austritt jeweils in einem Hundertjahreszeitraum würde das Problem der Erwärmung nur verschieben.
Und Shaffer ist pessimistisch, was die von ihm selbst errechnete 1-Prozent-Grenze in einem Tausendjahreszeitraum angeht: „Ist Kohlenstoff nicht mehr in fester Form, wird es immer ein Risiko geben, dass er aus dem Untergrund einen Weg nach oben findet.“ Alles in allem seien Investitionen in die Reduktion von Kohlendioxidemissionen wesentlich besser angelegt als in CCS-Projekte: „Deren Gefahrenpotenzial ist nämlich real.“
REINHARD WOLFF