rüttgers und große koalition
: Der Ratschläger vom Rhein

Wäre Jürgen Rüttgers ein Fußballtrainer, er hätte bei der WM womöglich das Endspiel erreicht. Wie ein guter Turnierspieler ist der Ministerpräsident in der Lage, sich in entscheidenden Situationen zu steigern. Dass sich Rüttgers von seinem Image als defensiver Zögerer in heikler Lage lösen kann, hat er schon bei seinem knallhart-populistischen (und erfolgreichen) Landtagswahlkampf 2005 bewiesen. Auch 2006 geht Rüttgers plötzlich in die Offensive und sucht sich einen schwachen Gegner: die kriselnde Große Koalition. Erst stichelte er fast täglich gegen Gesetzespläne der Merkel/Müntefering-Regierung. Jetzt attackiert er die SPD. Sie solle sich „am Riemen reißen“ und aufhören „rumzukeilen“.

KOMMENTAR VON MARTIN TEIGELER

Rüttgers‘ Fürsorge für die führungsschwache CDU-Kanzlerin Angela Merkel muss man ihm nicht abnehmen. Spätestens seit der Nichtberücksichtigung von NRW-Christdemokraten im Merkel-Kabinett gilt die Beziehung zwischen Düsseldorf und Berlin als belastet.

Auch das Rüttgers-Wort „Diese Koalition muss Erfolg haben“ ist eine Halbwahrheit. Dass sich prima Politik gegen eine schwache Bundesregierung machen lässt, hat Rüttgers ja 2005 bewiesen. Ohne die von der CDU aufgeputschte und teils auch medial gehypte Anti-Rot-Grün-Stimmung im Land wäre Rüttgers heute kaum NRW-Ministerpräsident. Auch sein Koalitionspartner FDP benennt die Große Koalition als negatives Gegenbeispiel für Schwarz-Gelb. Die schlichte Message vom Rhein: In Berlin regieren Stillstand und Streit, in Düsseldorf Reibungslosigkeit und Reformen. Dass NRW mit seinem querulatorischen Abstimmungsverhalten im Bundesrat mit zu den Problemen in der Hauptstadt beigetragen hat, scheint zur Strategie zu gehören. Und ganz nebenbei lässt sich mit Berlin-Bashing trefflich ablenken von Staatskanzleichaos, Schulreformen und Haushaltskürzungen. Deshalb wird Rüttgers noch viele Rat-Schläge an Berlin richten.

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