Klagen, der Heimatliebe wegen

Mit drei Musterklagen will der AStA der Uni Bremen jetzt die anstehenden Studiengebühren für alle jene kippen, die nicht in Bremen wohnen. Ein Blick nach Hamburg zeigt, dass das klappen könnte

von Jan Zier

„Ich liebe Cuxhaven“, sagt Marie-Christine Nietzsche. „Das ist meine Heimatstadt“. Deshalb will sie zuhause wohnen bleiben – auch jetzt, wo sie an der Uni Bremen fachbezogene Bildungswissenschaften studiert. Bremen wiederum will das nicht – und fordert von Nietzsche für das kommende Wintersemester 500 Euro Studiengebühren ein. Jetzt ist die Studentin eine von dreien, die gegen das so genannte „Landeskindermodell“ klagen.

Dieses sieht vor, dass Studierende mit Wohnsitz in Bremen ein Studienguthaben von 14 Semestern haben. Alle anderen jedoch müssen bereits ab dem zweiten Semester halbjährlich 500 Euro zahlen, zusätzlich zum Semesterbeitrag von 171,50 Euro. Für Rechtsanwalt Detlef Sonnleitner, der die vom AStA finanzierten Musterklagen vor dem Bremer Verwaltungsgericht vertritt, ist das ein klarer Bruch mit dem Grundgesetz.

Dass Studierende aus Huchting kostenfrei studieren dürften, solche aus Lilienthal und Delmenhorst aber nicht, sei weder mit dem Gleichheitsgrundsatz noch mit der verfassungsmäßig verbürgten freien Berufswahl zu vereinbaren. Es gebe keine „sachgerechten Gründe“, die eine solche Insellösung rechtfertigen, sagt Sonnleitner. Zumal das Grundgesetz auch vorschreibe, jedem Studierenden – in jedem Bundesland – die gleichen Rechte zuzugestehen.

Konkret klagen Nietzsche und ihre zwei KommilitonInnen nicht nur gegen die Mitte Mai versandten Gebührenbescheide der Uni Bremen. Sie wollen auch erreichen, dass sie fürs erste nicht zahlen müssen. Denn bis das Verwaltungsgericht in der Hauptsache entscheidet, kann noch ein Jahr vergehen, schätzt Sonnleitner.

Der Rechtsanwalt rechnet sich gute Chancen aus, den Prozess zu gewinnen – mit Blick auf Hamburg. Dort hatte das Verwaltungsgericht bereits im Januar vergangenen Jahres klagenden Studierenden Recht gegeben. Ein Urteil, das hernach auch vom Oberverwaltungsgericht Hamburg bestätigt wurde. Dennoch übernahm der Bremer Senat im Oktober 2005 die Hamburger Landeskinderregelung nahezu identisch. Allerdings waren in Hamburg auch die BewohnerInnen weiter Teile Schleswig-Holsteins und Niedersachsens von den Studiengebühren ausgenommen – in Bremen nicht. Hier endet die Gebührenfreiheit an der Landesgrenze. Inzwischen hat man es sich aber auch in Hamburg anders überlegt: Ab dem Sommersemester 2007 müssen alle zahlen: 500 Euro, pro Halbjahr.

Marie-Christine Nietzsche hingegen hat ihrer Uni noch kein Geld überwiesen. „Ich zögere das solange heraus, wie ich kann“. Keinesfalls überlasse sie der Uni das Geld „kampflos“. Und selbst wenn sie in ein paar Wochen dazu gezwungen sein könnte –um nicht exmatrikuliert zu werden – „dann will ich es mir wiederholen“.

Nach Bremen zu ziehen, um dergestalt die drohenden Studiengebühren zu umgehen, kommt für Nietzsche nicht in Frage. „Ich sehe keinen Grund dazu.“ So wie sie denken viele, die zwar in Bremen studieren, aber nicht dort wohnen wollen. Rund 5.000 Studierende sind es allein an der Hochschule Bremen sowie der Universität – schätzen die beiden ASten.

Den Bremer Haushalt kommt die fehlende Umzugswilligkeit teuer zu stehen. Denn pro Einwohner fließen dem Stadtstaat 3.000 Euro aus dem Länderfinanzausgleich zu. Und schon fehlen dem Finanzsenator Ulrich Nußbaum jährlich 15 Millionen Euro. Rein theoretisch zumindest.