: „Die Städter sind nicht so dumm“
Dem Städter wird nur wenig Sachverstand bei landwirtschaftlichen Fragen zugetraut. Bei Ausflügen zu ökologisch wirtschaftenden Bauernhöfen in Norddeutschland kann er die Scheu vor der Kuh verlieren – und Erkenntnisse über Bio-Produkte gewinnen. Ein Gespräch mit der Bio-Bäuerin Sonja Büsch
taz: Dem Vorurteil nach kann der Städter eine Gans nicht von einer Ente unterscheiden. Ist das auch Ihre Erfahrung?
Sonja Büsch: Ich glaube, damit tut man ihm Unrecht. Die Berührungsängste bei den Gruppen, die hier aus der Umgebung kommen, sind zwar kleiner, aber die Städter sind nicht so dumm, wie man sie gerne darstellt.
Wo sind die städtischen Besucher zögerlicher?
Beim Vieh: Wenn Kinder da sind, gehen wir oft zusammen durch den Stall und streicheln die Tiere. Bei den Kindern aus der Umgebung sagt jedes Dritte: Kühe habe ich schon mal bei den Nachbarn gestreichelt, während die städtischen Kinder das erst einmal aus der Entfernung betrachten. Und es gibt Berührungsängste in Sachen Schmutz und Mist: Wenn die Kuh, neben der man steht, gerade dann mistet, dann entsetzt es schon einige. – Das mögen allerdings die Leute aus der Umgebung auch nicht so gern.
Jedes vierte zehnjährige Kind in Hamburg hat noch nie einen Wald betreten. Für die Landwirtschaft wird ähnliches gelten. Merken Sie das den Besuchs-Kindern an?
Im letzten Sommer hatten wir eine Gruppe aus Hamburg, die im benachbarten Seminarhaus einen Kurs zu gesunder Ernährung besuchten. Als wir mit ihnen aufs Kartoffelfeld gingen, war den Kindern nicht klar, wo die Kartoffeln eigentlich sitzen – ober- oder unterirdisch. Dass man sie aus der Erde herausholen muss, hat sie überrascht.
Sind Ihre Besucher, die ja auf einen ökologisch wirtschaftenden Hof kommen, an politischen Fragen wie der Subventionspolitik interessiert?
Ganz bestimmt. Als Außenstehender scheint man aus der Landwirtschaft ständig den gleichen Tenor zu hören: Beschwerden über das viele Arbeiten und das wenige Geld dafür. Da wird von den Besuchern ganz gezielt und ganz kritisch nachgefragt, ob das angesichts all der Subventionen tatsächlich so sei. Für den Verbraucher fehlen da allerdings die Relationen: Wie hoch ist eigentlich der Bedarf, warum ist er so entstanden und gibt es Möglichkeiten, sich aus dem Subventionskreislauf zu befreien?
Wie weit klaffen da Ihr Selbstverständnis als Landwirtin und die Vorstellungen der Besucher auseinander?
In der Regel muss ich uns Bio-Landwirte schon ziemlich verteidigen. Das passiert mir auch bei Verkostungen in den Läden: Die Verbraucher legen mir oft eine fertig verpackte Meinung vor und die geht meist in die Richtung: „Ihr kriegt doch so viel Geld, warum sind eure Produkte dann teurer?“ und „Letztlich ist Bio doch Betrug.“
Hören Sie sich das gefasst an?
Es macht mich ärgerlich und ich muss schon tief Luft holen, bevor ich zu einer Erklärungsarie anstimme: Dass die Produktion bei uns einen anderen Aufwand erfordert und dass der erhöhte Preis mehr als gerechtfertigt ist. Und ich lade herzlich dazu ein, uns mal zu besuchen. Das ist dann auch unsere Chance, unsere Arbeit für Außenstehende transparent zu machen und zu zeigen, wovon wir überzeugt sind. Interview: grä