: Nur die Guten bleiben
NETZKULTUR Eine aktuelle Diskussionsrunde des AMD-„Campus Talk“ über das Ende des Modejournalismus und die Mädchentagebuchhaftigkeit der Blogs
Sie gehen auf die Straße, fotografieren Menschen, die schöne Kleidung tragen, fragen, woher sie diese haben, und stellen das Ganze dann mit ein paar hübschen Worten ins Netz. Street-Style-Blogs schossen in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden. In keinem anderen Kunst- und Kulturbereich hatte das Bloggen so viel Wirkung wie in der Modebranche. Ihre Stars sitzen in der ersten Reihe der Shows, Journalisten bedeutender Modemagazine werden in die zweite Reihe verbannt.
Doch welche Bedeutung haben Modeblogs für die Modebranche und den Journalismus heute? Hat der Modeblog eine Zukunft oder lebt er nur noch von seinem Hype? Ist er die Kür oder schon die Pflicht? Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Campus Talk“ diskutierten Journalisten, Blogger und Studenten des Ausbildungsgangs Modejournalismus/Medienkommunikation in der Berliner AMD (Akademie Mode & Design) die aktuelle Brisanz des Modeblogs unter dem Motto „Wenn interessiert’s!“.
Zunächst wurden die Basics geklärt. So erklärt die 27-jährige Modebloggerin Lisa van Houtem (okcool.de, laila.de) gleich zu Beginn: „Ich sehe mich nicht als Journalistin“, was ihre Podiumsnachbarin Carolin Ströbele (Journalistin, Zeit Online) irritiert fragen lässt: Was ist eigentlich ein Modeblogger? Van Houtem will ihren Geschmack und ihre Meinung der Welt mitteilen, und das frei Schnauze, mit einer flotten Schreibe, aus dem Kopf direkt ins Netz. Der Blogger setzt auf Selbstpräsentation und Subjektivität, er erzählt eine Geschichte, und zwar seine eigene. Die täglichen News werden zu 90 Prozent aus Plattformen wie Facebook und Twitter gezogen. Damit bewegen sich Modeblogs nach Heinrich Dubel, Journalist und Medienkünstler, nicht selten auf dem Niveau eines „Mädchentagebuchs“ unter Missachtung journalistischer Kriterien. Denn der klassische Modejournalist erzählt die Geschichte eines Designers nach dem journalistischen Einmaleins: Wer, wann, wo, weshalb, warum. Hintergrund, Erklärung, Recherche.
Die Vorteile eines Blogs liegen klar auf der Hand: David Roth, Gründer von dandydiary.de und Absolvent der AMD, genießt die Unabhängigkeit seines Bloggerdaseins. Ohne wirtschaftlichen Zwang kann über jedes Thema nach persönlichen Belieben gebloggt werden, ein Verriss führt nicht zum Verlust von Anzeigen.
So entsteht im Internet Stil, noch bevor die großen Marken ihn anbieten. Die Modeblogs treffen den Nerv der Jugend, vorbei an konventionellen Modemagazinen. Auch die Modeindustrie hat das erkannt: Labels wie Verlage holen sich einen Blog zur Markenpflege ins Haus. Lisa van Houtem ist heute auch als Bloggerin bei Burda Medien tätig.
Es wurde deutlich: Blogs per se als schlecht recherchierte Meinungsmache abzutun greift ebenso zu kurz, wie das Ende der klassischen Modeberichterstattung zu prognostizieren. Blogs fungieren als Einstieg und Sprungbrett für junge Schreiber wie als Infozentrale oder Trendbarometer. Ihre Bedeutung hängt jedoch wie jeder Text von Qualität und Kompetenz ab. Und hier war man sich einig: Nur die Guten werden bleiben.
SIMONE JUNG