: Der gestürzte Camorra-Freund
Gegen mich läuft eine Medienhatz!“ Ganz die verfolgte Unschuld gab Nicola Cosentino, Wirtschaftsstaatssekretär in der Regierung Berlusconi, auch noch im Moment seines Rücktritts. Er musste jetzt gehen, weil er mit dubiosen Freunden aus einer Geheimloge ein Schmutzdossier gegen einen parteiinternen Gegenspieler lanciert haben soll. Als „Freund der Camorra“ musste sich Stefano Caldoro darin schmähen lassen, dazu noch als Freier von Transvestiten.
Caldoros Schuld: Er wollte bei den Regionalwahlen in Kampanien im letzten Frühjahr als Spitzenkandidat der Berlusconi-Partei „Volk der Freiheit“ antreten. Diesen Posten hatte Cosentino schon für sich ausgeguckt. Dumm an der Geschichte ist nur, dass ausgerechnet Cosentino selbst in den Augen der Staatsanwälte Freund der Camorra ist.
Der 51-Jährige stammt aus der Provinz Caserta, dem Reich des mächtigsten Camorra-Clans, der „Casalesi“. Mit 19 zog Cosentino in seinem Heimatort Casal di Principe in den Stadtrat ein. Als Berlusconi 1994 Politiker wurde, hatte Cosentino seine neue Heimat gefunden. Seit 1996 sitzt er im Abgeordnetenhaus in Rom.
Zahlreiche Kronzeugen aus den Reihen der Camorra behaupten, in der Politik wie auch bei Geschäften seien ihm über Jahre intensive Kontakte zu den Bossen der Casalesi zugute gekommen. So soll Cosentino kräftig bei der illegalen Müllbeseitigung mitverdient haben, als stiller Teilhaber eines von der Camorra kontrollierten Konsortiums. Im November 2009 beantragte deshalb die Staatsanwaltschaft Neapel einen Haftbefehl gegen ihn.
Doch Berlusconis Truppen im Parlament verweigerten die Aufhebung der Immunität. Ihnen reichte Cosentinos Auskunft, an den Vorwürfen sei „nichts dran“. Auch Berlusconi hielt ihm treu die Stange. Da überraschte es nicht mehr, dass die Regierungsfraktionen im Dezember 2009 den Misstrauensantrag der Opposition gegen Cosentino abschmetterten. Jetzt muss der Staatssekretär gehen. Für das Rechtsverständnis der Berlusconi-Regierung ist bezeichnend, dass er nicht über seine angeblichen Mafiaverbindungen stolperte, sondern darüber, dass er seinen Gegenspieler in der Partei als „Schwuchtel“ verunglimpfen ließ. MICHAEL BRAUN