: berliner szenen Der Kern des Kollektivs
Sinkende Sterne
Wir hatten ihn immer den Lachenden Peter genannt, um ihn von dem anderen Peter zu unterscheiden, der seltener lachte. Acht Jahre hatten wir miteinander Tischtennis gespielt. Jeden Samstagnachmittag an der Platte im Aufenthaltsraum der Firma. Der Kern unserer Gruppe war mal ein Handwerkerkollektiv gewesen. Wenn wir spielten, hatten wir die Bundesliga im Radio laut gestellt und in den Pausen geraucht. Dann wurden wir weniger. Der eine war dort-, der andere dahin gegangen, zwei hatten sich zerstritten und der Exbeste hatte sich irgendwann nicht mehr blicken lassen; weil sein Stern am Sinken war, weil er plötzlich eine seriöse Freundin hatte – niemand kann in den Kopf eines anderen blicken.
Jedenfalls war er ein paarmal nicht gekommen, dann wurde das Verpflichtungsgefühl wohl auch kleiner. Manchmal hatte er zwar noch erwogen, wiederzukommen, doch er konnte die Anstrengung nicht mehr aufbringen, die es erfordert hätte, das Vergessen zu durchbrechen. Dies alles war nun im Früher gelandet. Nur selten hatte er sich noch wehmütig ans „Tischtennisfit“ erinnert, das wir so oft zusammen geraucht hatten.
Und nun ging der Lachende Peter. Zurück ins Bayrische, zu seinen Eltern, denen er das zurückgeben wollte, was sie ihm gegeben hatten. Es gab einen Job, und der Kleine hätte dort auch mehr Möglichkeiten, herumzutollen. Zwei Flaschen Sekt und lecker zu essen standen auf dem Tisch, wir spielten und rauchten in den Pausen, und manchmal vergaßen wir wieder, wie es grad stand. Nur das Radio blieb stumm, denn die Fußball-WM gibt’s nur im Fernsehen. Auf der Straße sagten wir tschüs. Unsere Fahrräder standen so komisch, dass wir uns nicht umarmen konnten. DETLEF KUHLBRODT