„Eine extrem starke und einflussreiche Bankenlobby“

KRISE Um Finanzmärkte besser kontrollieren zu können, wollen Grüne die Lobbymacht mindern

„Wir brauchen Karenzzeiten für den Wechsel aus der Politik in die Wirtschaft“

Elmar Wigand, Lobbycontrol

BERLIN taz | „Obwohl die Finanzbranche unter fünf Prozent zur deutschen Wirtschaftsleistung beiträgt, leistet sie 20 Prozent der Parteispenden“ – das schreiben die Grünen in ihrem Fraktionsbeschluss zur Finanzmarktreform. Mit dem 15-seitigen Papier, das sie am Freitag veröffentlicht haben, wollen sie zeigen: Die Regierung belässt viel beim Alten und die Finanzmärkte außer Kontrolle. Ein Grund: „Eine extrem starke und einflussreiche Bankenlobby“. Dabei könne man sich ihrer entledigen.

Ihre Analyse: Kanzlerin Angela Merkel erklärt, dass sich die Finanzkrise nie wiederholen darf. Doch Steuerflucht sei „bis heute möglich“. Regulierungsoasen seien „nicht ausgetrocknet“. Und noch immer werde „in schwindelerregender Höhe Geld mit volkswirtschaftlich unproduktiven, intransparenten Produkten“ verdient. Dabei seien in der Krise „unvorstellbare Summen“ vernichtet worden.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt, dass sich die Abschreibungen der Banken auf Schrottpapiere weltweit auf 2.300 Milliarden US-Dollar belaufen. Deutsche Banken stecken tief mit drin: Mit 224 Milliarden Euro entfallen auf sie fast die Hälfte der Abschreibungen in der Eurozone. Banken wurden mit Staatsgeld gerettet. Keiner wollte Geldhäuser pleite gehen lassen, die als groß und „systemrelevant“ galten. Darum steht nun im grünen Fraktionsbeschluss: Banken brauchen eine „Größenbremse“ und eine „Schuldenbremse“ (meint: mehr Eigenkapital). Dazu soll es eine „starke Aufsicht“ geben und ein „Bankentestament“, eine Art Rettungsplan für Notfälle. Damit diese Ideen durchkommen, sollen Bankenlobbyisten nichts mehr zu sagen haben. Parteispenden sollen auf jährlich 100.000 Euro pro Spender begrenzt und offen gelegt werden. Zudem soll die Branche nur noch „in einem sehr eng gesteckten Rahmen in Ministerien“ mitarbeiten. „Das hilft wenig“, sagt jedoch Elmar Wigand von Lobbycontrol. Das Finanzministerium sei seit langem eng verbunden mit der Branche, über Jobrochaden oder informelle Netzwerke wie die Initiative Finanzstandort Deutschland. Da werde außerhalb des Ministeriums Politik gemacht. Wigand fordert, Parteispenden auf 50.000 Euro zu begrenzen. Viel wichtiger sei es aber, die Beteiligung der Beamten an den informellen Gremien zu durchleuchten und möglicherweise zu verbieten. Außerdem müssten Karenzzeiten für den Wechsel von Politikern in die Wirtschaft festgelegt werden.

HANNA GERSMANN