ANDREAS WYPUTTA ÜBER DAS KIRCHTURMDENKEN IM RUHRGEBIET
: Schluss mit Provinzialität!

Die Politik im Revier muss endlich Schluss machen – Schluss mit Kirchturmdenken, Schluss mit der elenden Konkurrenz der Städte untereinander. Denn nichts lähmt Deutschlands größte Metropole mit ihren fünf Millionen Einwohnern mehr als Eifersucht: Eifersucht, ausgerechnet die Nachbarn nebenan könnten den schöneren Bahnhof, das bessere Einkaufszentrum, das moderne Fußballstadion haben.

Ob bei der überlebensnotwendigen Schaffung von Jobs oder bei kulturellen Events: Viel zu selten wirbt das Revier mit gemeinsamer Stärke. Stattdessen gilt schon eine gemeinschaftliche Bewirtschaftung von Grünflächen und Versorgungsämtern als Erfolg. Denn mehr als 40 Jahre nachdem der Düsseldorfer (!) Landtag erstmals über die Idee der Ruhrstadt abgestimmt hat, entscheiden zwischen Dortmund und Duisburg noch immer 53 Stadt- und Gemeinderäte, vier Kreistage, drei Bezirksregierungen, zwei Landschaftsverbände und der Regionalverband Ruhr über die Zukunft – und blicken oft nicht weiter als bis zum nächsten Kirchturm.

Die Folge ist ein zum Erbarmen langweiliges Mittelmaß. Bundesweit ist das Ruhrgebiet jenseits des Integrationsfaktors Fußball kein Thema. Wer spricht über das Bochumer Schauspielhaus, über die Essener Oper? Weil alle Städte alles haben wollen, fehlt das Geld für wirkliche Klasse. Aber nichts braucht das Revier mehr als echte, ehrliche Zusammenarbeit. Will die von der Deindustrialisierung gebeutelte Metropole Ruhr nicht in Armut versinken, muss sie endlich zusammenstehen. Auf Düsseldorf oder Berlin braucht die Politik an der Ruhr dabei erst gar zu nicht warten – denn gerade am Rhein wird nichts mehr gefürchtet als ein starkes, weil vereintes Ruhrgebiet. Denn das wäre nicht nur die größte Stadt Nordrhein-Westfalens – sondern der ganzen Republik.

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