: Knobloch macht Rückzieher
Nach Kritik aus den eigenen Reihen nimmt die Präsidentin des Zentralrats der Juden ihre Forderung nach einem eigenen Schulfach „Nationalsozialismus“ wieder zurück
BERLIN epd/dpa/ap ■ Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, hat ihre Forderung nach bundesweiter Einführung eines eigenen Schulfachs „Nationalsozialismus“ zurückgenommen. „Die Faktenvermittlung über die NS-Zeit muss im Geschichtsunterricht stattfinden“, sagte Knobloch am Wochenende. Lehrer und Schüler müssten sich allerdings intensiver mit dem Holocaust auseinander setzen.
Die moralische Dimension der Schoah und die Ableitung konkreter ethischer Handlungsanweisungen finde in den Schulen zu wenig Beachtung, kritisierte Knobloch. Den jungen Menschen dürfe aber nicht das Gefühl vermittelt werden, sie seien schuld an den Verbrechen gegen die Menschlichkeit. „Sie sind nicht schuldig, und die Vermittlung eines solchen Gefühls ist kontraproduktiv und blockierend“, betonte die Zentralratspräsidentin.
Der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, war bereits seit Freitag in ungewöhnlich deutlicher Form von den Vorschlägen der eigenen Präsidentin abgerückt. Es gehe nicht darum, ein einzelnes Fach zu diesem Thema einzurichten, sondern insgesamt das Wissen über den Nationalsozialismus zu verbessern, sagte Kramer. Die Mehrheit des Zentralrats sei gegen ein solches Schulfach. „Wir lehnen das seit langem schon ab.“
Vor einer Woche hatte Knobloch für die Einführung eines eigenen Schulfachs zum Nationalsozialismus plädiert. „Es ist dringend notwendig, den Geschichtsunterricht neu zu gestalten, weil das Thema Nationalsozialismus darin viel zu kurz kommt“, hatte sie in einem Interview gesagt. Abhilfe könne ein eigenständiges Schulfach schaffen. Knobloch begründete ihren Vorschlag mit Versäumnissen der Schulen beim Thema Nationalsozialismus.
Bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie bei der Kultusministerkonferenz (KMK) war Knoblochs Forderung auf Skepsis gestoßen. KMK-Präsidentin Ute Erdsiek-Rave (SPD) wies darauf hin, dass Nationalsozialismus und Holocaust in allen Schulformen „verpflichtender, integraler und ausführlicher“ Bestandteil des Geschichtsunterrichts in allen Schulformen sei. Darüber hinaus werde die NS-Zeit auch in anderen Fächern wie Deutsch, Politik und Sozialkunde, Ethik und Religion thematisiert. „Ob ein eigenständiges Fach Nationalsozialismus diese vielfältigen Fachbezüge adäquat auffangen kann, erscheint fraglich“, erklärte die SPD-Politikerin.
Auf besonderes Unverständnis auch in den eigenen Reihen stießen Knoblochs Äußerungen zu den Verhältnissen in Ostdeutschland. Dort gebe es zudem immer noch Lehrkräfte und Personal im Erziehungsbereich, „die über die Vergangenheit fast überhaupt nichts wissen“, hatte die Präsidentin des Zentralrats gesagt. Generalsekretär Kramer sagte jetzt, Knobloch habe dies „ungeschickt formuliert“. Gerade die ostdeutschen Lehrer hätten viele neue und erfolgreiche didaktische Konzepte entwickelt, um den Schülern die Themen Nationalsozialismus und Holocaust nahe zu bringen.