: Misstrauen gegenüber „dem großen Teufel“
IRAN Konservative Kreise fürchten Ausverkauf der Interessen und lehnen Annäherung an den Westen ab
BERLIN taz | Nicht alle Kräfte im Iran begrüßen das vorläufige Abkommen über die Nutzung der Atomenergie. Radikale Anhänger der islamischen Revolution von 1979 und Teile der Konservativen gehen auf Distanz. Der Abgeordnete Ahmad Tawakoli erklärte am Sonntag im Parlament, in dem Abkommen gebe es „eine ganze Menge Probleme“, so dass „wir kaum hoffen können, unsere nationalen Interessen durchzusetzen“.
Die Regierung hat sich bisher geweigert, die Details des Abkommens der Öffentlichkeit oder wenigstens dem Parlament mitzuteilen. Zur Begründung hieß es, dass eine Geheimhaltung vereinbart worden sei. Das aber ist eine Lüge: Tatsächlich wurde der Vertrag in den USA dem Kongress im Wortlaut vorgelegt und ist auch durch Medienberichte bekannt. Offenbar fürchten die Regierenden in Teheran, die Details des Abkommens könnten nicht nur auf Zustimmung stoßen.
Dennoch sind Informationen durchgesickert. Die ultrarechte Tageszeitung Kayhan schrieb in ihrer gestrigen Ausgabe: „Wenn wir uns (den nun in den USA) veröffentlichten Text anschauen, stellen wir fest, dass das, was wir bekommen haben, weit geringer ist als das, was wir gegeben haben.“
Bereits zuvor hatten sich ranghohe Militärs unzufrieden gezeigt. Der Oberkommandierende der Streitkräfte, General Mohammed Ali Dschafari, sagte: „Wir haben das Höchstmögliche gegeben und das Geringstmögliche bekommen.“ General Mohammed Resa Naghdi, Oberkommandierender der paramilitärischen Basidsch-Milizen, die unter anderem zur Unterdrückung der Opposition eingesetzt werden, erklärte: „Auch wenn wir mit den USA hunderte Verträge unterzeichnen und hunderte Verhandlungsrunden führen, werden wir dem großen Teufel nicht trauen.“
Doch offenbar ist Revolutionsführer Ali Chamenei, der bei wichtigen Entscheidungen das letzte Wort hat, bislang entschlossen, die Kompromissbereitschaft der Regierung Rohani zu unterstützen. Zwar äußerte er mehrmals seine Skepsis, den USA zu trauen, aber er scheint eingesehen zu haben, dass der radikale Kurs das Land in den Abgrund führen könnte.
Die Mehrheit der Iraner, die unter der herrschenden Wirtschaftskrise leidet, hofft auf eine Besserung ihrer Lage. Zwar bleiben die harten Sanktionen bis zu einem endgültigen Vertrag im Kern bestehen. Aber schon die vereinbarte Lockerung in bestimmten Bereichen und der allmähliche Abbau der Feindschaft mit der Außenwelt haben einen Stimmungswandel hervorgerufen. Der Regierung Rohani ist es sieben Monate nach der Regierungsübernahme gelungen, die Preisentwicklung und den Wechselkurs des Rial zu stabilisieren und sowohl in der Außen- als auch in der Innenpolitik mehr Offenheit durchzusetzen.
Genauer betrachtet geht es im Iran aber um weit mehr als um den Atomkonflikt. Das Land steht vor der Frage, ob das System, das auf der Feindschaft mit dem Westen basiert, tatsächlich zu grundlegenden Reformen und zu einem, wie von Rohani ankündigt, gemäßigten Kurs fähig ist. Die Radikalen sehen in dieser Entwicklung einen Verlust der Substanz der Islamischen Republik und leisten dagegen Widerstand. BAHMAN NIRUMAND