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Archiv-Artikel

Tamilen fordern EU zu Druck auf Colombo auf

Tamilenparteien aus Sri Lanka antichambrieren in Europa mit Forderungen der Tamil Tiger, um Krieg zu verhindern

WIEN taz ■ Den offenen Krieg in Sri Lanka zu verhindern, ist das Ziel einer Europareise von fünf Abgeordneten der Tamil National Alliance (TNA), die kürzlich auch im Auswärtigen Amt in Berlin vorsprachen. Die TNA ist ein Zusammenschluss tamilischer Parteien, welche die Forderung der tamilischen Rebellenorganisation Tamil Eelam (LTTE) nach weitgehender Autonomie für die tamilischen Gebiete im Norden und Osten unterstützen.

Schon jetzt werde das Waffenstillstandsabkommen von 2002 täglich verletzt, sagt G. G. Ponnambalam vom All Ceylon Tamil Congress. Seit Jahresbeginn seien 700 Menschen getötet und 40.000 vertrieben worden. Er sieht sowohl bei der Regierung als auch bei der LTTE den Willen zur Eskalation. Ponnambalam versuchte die Regierungen in Europa zu überzeugen, dass die Befreiungstiger von Tamil Eelam nicht die allein Schuldigen sind. So hätten bei einem Dialog in Genf im Februar LTTE und Regierung vereinbart, paramilitärische Gruppen zu entwaffnen. Gemeint ist die LTTE-Abspaltung unter Oberst Karuna, die im Osten des Landes operiert und Kader wie Basis der LTTE angreift.

Präsident Mahinda Rajapakse hat erst kürzlich wieder versichert, diese Truppen befänden sich außerhalb des Einflussbereichs der Regierungsarmee. Dazu Ponnambalam: „Die werden von der Armee beschützt und operieren von Armeelagern aus.“ Das bestätigt zum Teil auch die skandinavische Mission zur Überwachung des Waffenstillstands. Die LTTE fühle sich also im Recht, wenn sie Karunas Kämpfer angreift, so Ponnambalam.

Nach Attentaten auf Generäle setzte die EU im Mai die LTTE auf die Liste terroristischer Organisationen. Dadurch sehe sich Sri Lankas Regierung zu einer militärischen Lösung ermutigt, meint der tamilische Abgeordnete. Sri Lankas Außenminister Mangala Samaraweera erklärte kürzlich in Oslo, sein Land habe keinen ethnischen Konflikt, sondern nur ein Terrorismusproblem. Noch in diesem Monat erwarte die Armee vierzig Panzer und andere Waffen aus Pakistan. Eine Großoffensive sei zu befürchten. Dass Präsident Rajapakse vor wenigen Tagen verkündete, er wolle sich mit der LTTE-Führung treffen, um den Frieden im Rahmen der Verfassung zu verhandeln, werten die Tamilenvertreter als Finte. Denn die Verfassung sieht einen Einheitsstaat vor, der ja von den Tamilen abgelehnt werde.

Die TNA-Abgeordneten wünschen sich von der EU auf die Regierung einzuwirken, mit der Entwaffnung der Karuna-Gruppe ernst zu machen. Zwar brächten sie keine offizielle Botschaft der LTTE, doch habe diese zu verstehen gegeben, dass sie auf bewaffnete Aktionen verzichten würde, wenn die Armee ihre Angriffe, darunter Bombardements ziviler Wohngebiete, einstellte. Die LTTE will offenbar auch den mächtigen Nachbarn Indien wieder einbinden. Deswegen entschuldigte sich kürzlich ihr Verhandlungsführer Anton Balasingham erstmals in einem Interview indirekt für das Selbstmordattentat gegen Indiens Premier Rajiv Gandhi 1991. Der Anschlag sei „eine große Tragödie“ gewesen. Indien reagierte zunächst kühl. RALF LEONHARD