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MARCUS WOELLER
Schnute harrt der Dinge. Was soll sie auch machen? Die sogenannte Stadtbärin ist die letzte Überlebende im Berliner Bärenzwinger im Köllnischen Park; Gefährte Thilo starb 2007, Tochter Maxi im letzten Sommer. Nach dem Ende des Winters könnte die mit 32 Jahren hochbetagte Braunbärin nun aber umgesiedelt werden. Ein Bürgerbündnis fordert schon seit Jahren das Ende der anachronistischen Bärengrube, eines Relikts aus Nazizeiten. Aber der Bezirk prüft noch Alternativen. Wie wäre es denn mit der Investition in Kunst, statt in Tierquälerei, um dem Berliner Stadtwappen angemessen Ausdruck zu verleihen? Der britische Künstler Mark Wallinger hat dem Bären schon vor zehn Jahren in einer Performance ein Denkmal gesetzt. Das Video der Aktion ist nun in der Galerie Carlier Gebauer zu sehen. Mehrere Nächte verbrachte Wallinger in der oberen Halle der Neuen Nationalgalerie – verkleidet mit einem Bärenkostüm. So spazierte er durch Mies van der Rohes Zwinger der Moderne, versteckte sich hinter den Marmorpfeilern, erschreckte die sich an den Glasscheiben ihre Nasen plattdrückenden Passanten, wärmte den Bärenpo an der Heizung, legte sich resigniert auf den Boden, wurde selbst zum Kunstwerk. Mit dem absurden und hintersinnigen Film „Sleeper“ empfahl Wallinger sich bereits der Jury des Turner-Preises, den er 2007 in Liverpool dann gewann. Für Berlin schuf Wallinger mit seiner Performance ein Werk, das einen der schwierigsten Ausstellungsräume der Stadt perfekt bespielt hat. (Bis 1. März, Di.–Sa., 11–18 Uhr, Markgrafenstr. 87)
Berlin könnte auch ein Thema für Primož Bizjak sein. Denn der slowenische Künstler befasst sich mit Grenzen, die den Raum zwischen Freiheit und Gefangenschaft markieren. In Madrid näherte er sich mit seiner Kamera einem Gefängnis der Franco-Diktatur und einem verlassenen Bahnhof, der während des Spanischen Bürgerkriegs eine Schlüsselrolle in der Stadtverteidigung spielte. Auch das „Hotel Bristol“ in der gleichnamigen Ausstellung seiner großformatigen Fotografien in der Galerija Gregor Podnar lag mitten auf der Frontlinie während der Belagerung Sarajevos. Zehn Jahre später schoss Bizjak sein Foto durch die verwitterte Hotelreklame und verdichtet die diffuse Schönheit des Blicks über die Stadt mit dem historischen Mythos des Ortes. Diese Ambivalenz strahlen alle Motive aus. Mittels extremer Langzeitbelichtung offenbaren die Fotografien, die in der Nacht aufgenommen wurden, eine geheimnisvoll übersteuerte Farbigkeit. So gelingen dokumentarische Bilder, die die Grenzen von Wahrnehmung und Erinnerung subtil überschreiten. (Bis 8. März, Di.–Sa., 11–18 Uhr, Lindenstr. 35)