: Scharfzüngiger Sieger
So sehen Sieger aus: Walter Scheuerl wirkte fast noch ein bisschen pausbäckiger als sonst, als er am späten Sonntagabend den fulminanten Sieg seiner Initiative „Wir wollen Lernen“ gegen den Hamburger Senat kommentieren durfte. 276.304 Hamburger hat sie gegen die flächendeckende Einführung der sechsjährigen Primarschule mobilisiert, mehr als jeden fünften Wahlberechtigten.
Scheuerl wäre nicht Scheuerl, würde er nicht sofort versuchen, aus diesem Erfolg den nächsten Coup zu schmieden: „Wir hoffen, dass der versprochene zehnjährige Schulfrieden nun auch Gültigkeit hat“, sagte er Minuten nach Verkündung des amtlichen Endergebnisses in die Mikrofone. Was er nicht sagte: „Schulfrieden“, also eine Veränderungssperre, haben die vier Fraktionen der Hamburger Bürgerschaft nur für den Fall vereinbart, dass die Primarschule kommt.
Aber der alerte Rechtsanwalt, der im feinen Blankenese direkt am Elbufer wohnt, nimmt es nicht immer so genau. Und mit den Bürgerschaftsparteien, so scheint es, hat er ohnehin noch ein Hühnchen zu rupfen. Monatelang hat er sich als einsamer Kämpfer gegen das Politestablishment inszeniert und damit so manches Politikverdrossenheits-Ressentiment angespielt, da darf er seinen Sieg am Ende auch auskosten: „Ich glaube, dass alle Bürgerschaftsfraktionen sich hinter einen Beschluss stellen, das wird es so bald nicht wieder geben“, feixte Scheuerl am Wahlabend in die Kameras.
„Wir haben nicht nur das Parlament besiegt, sondern wir haben auch gesiegt trotz einer geballten PR-Maschinerie, die die Parteien und die Gewerkschaften und der Senat auf Kosten des Steuerzahlers zuweilen gegen uns aufgefahren haben“, tönte Scheuerl weiter, dabei war die Kampagne seiner Initiative ebenfalls von PR-Profis ausgeheckt worden – die Finanzierung verschleierte Scheuerl hinter einem Tarnverein.
Ob die Parteien nun fürchten müssen, dass der scharfzüngige Redner Scheuerl, der die populistische Klaviatur auf so viel feinere, hanseatischere Art zu spielen weiß als einst der politische Grobmotoriker Ronald Schill, selbst ins politische Geschäft einsteigt? Eher nicht, obwohl es erfahrene Politiker in Hamburg gibt, die nur auf ihn warten sollen. Die CDU ist jedenfalls gewarnt. JAN KAHLCKE