Sirup mit Todesfolge

In Bremen und Hamburg kamen zwei Schwarzafrikaner bei gewaltsamen Brechmitteleinsätzen ums Leben. Doch nur an der Weser wurden daraus Konsequenzen gezogen: Drogendealer werden dort inzwischen aufs Klo gesetzt, ein Polizeiarzt muss sich vor Gericht verantworten

HAMBURG taz ■ Zwei andere Schwarzafrikaner hatten im Gegensatz zu Abu Bakah Jalloh keine Gelegenheit mehr, die Polizei wegen des Einflößens von Brechsaft über eine Magensonde zu verklagen. Laye-Alama Condé und Achidi John starben, als die Polizei in Bremen und Hamburg ihnen zwangsweise mexikanischen Sirup verabreichen ließ. In Bremen ist die Brechmittelvergabe inzwischen gestoppt. Die Staatsanwaltschaft hat vor zwei Monaten Anklage gegen den Polizeiarzt erhoben, der Condé am 27. Dezember 2004 das Ipecacuanha eingeflößt hatte. In Hamburg hingegen blieb der Todesfall in Hamburg im Dezember 2001 juristisch und politisch ohne Konsequenzen.

Der 35-jährige Laye-Alama Condé aus Sierra Leone, das haben medizinische Gutachten inzwischen ergeben, wurde ertränkt: Der Bremer Polizeiarzt hatte Condé so lange Brechmittel und Wasser eingeflößt, bis er daran erstickte – ihm war die Flüssigkeit in die Lunge gelaufen. Zunächst zeigte sich die Politik unbeirrt. Während Condé noch im Koma lag, erklärte Innensenator Thomas Röwekamp (CDU): „Der Umstand, dass er jetzt gesundheitliche Folgen davonträgt, ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass er eine dieser Kapseln offensichtlich zerbissen und sich dadurch eine Vergiftung zugeführt hat.“

Einen Tag später setzte er die Zwangsvergabe „bis auf weiteres“ aus – bekräftigte aber seine Meinung, dass „Schwerstkriminelle mit körperlichen Nachteilen rechnen müssen“. Zwei Tage später war Condé tot. Am 24. Januar 2005 dann stoppte der Koalitionsausschuss der Bremer Landesregierung die zwangsweise Vergabe des Brechmittels. Seither werden in Bremen mutmaßliche Drogendealer bis zum natürlichen Ausscheiden der Kügelchen in Gefängniszellen mit speziellen Toiletten gesperrt.

In Hamburg hingegen hält die Politik unbeirrt an der Zwangsmaßnahme fest. Die wurde im Wahlkampf 2001 von der damaligen rot-grünen Landesregierung eingeführt. Ende desselben Jahres starb der 19-jährige Achidi John, nachdem ihm eine Ärztin am rechtsmedizinischen Institut des Universitätskrankenhauses Eppendorf (UKE) unter Gewalt Ipecacuanha-Saft eingeflößt hatte. Vier Polizisten hatten ihn auf einem Stuhl fixiert, während die Ärztin zweimal vergeblich versuchte, ihm den mexikanischen Sirup über eine Magensonde zu verabreichen. Das gelang erst beim dritten Mal. John kollabierte, Atmung und Puls fielen aus.

Die einzige Konsequenz, die der tödliche Einsatz mit sich brachte, hatte nicht mal ein Jahr Bestand. Der ärztliche Direktor des UKE hatte nach dem Tod von Achidi John die Dienstanweisung erlassen, dass bei Zwangseinsätzen künftig stets ein Notfallteam vor Ort sein müsse. Ein halbes Jahr später bereits, im Juli 2002, war diese Anweisung wieder außer Kraft. Seither laufen die Brechmitteleinsätze, als hätte es den Tod des 19-Jährigen nie gegeben. Das Einsetzen körperlicher Gewalt sei in aller Regel nur nicht nötig, so Justizsprecher Carsten Grote, weil die Beschuldigten aus Angst davor den mexikanischen Sirup „freiwillig“ trinken. ELKE SPANNER