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Archiv-Artikel

Winken erlaubt

von FELIX LEE

Rechtzeitig vor dem Besuch von George W. Bush hat Olaf Micheel ein passendes Wildschwein für den US-Präsidenten gefunden. Mehrfach war der Gastwirt aus dem einstigen DDR-Musterdorf Trinwillershagen im Landkreis Nordvorpommern in den vergangenen Tagen auf die Pirsch gegangen, ohne dass ihm ein geeignetes Vieh vor die Flinte lief. Nun habe er eins erlegt, teilte er gestern mit. Das Barbecue mit Bush am Donnerstagabend kann wie gewünscht stattfinden – anders als die geplanten Gegendemonstrationen in der Hafenstadt Stralsund.

„Wir können demonstrieren“, versicherte zwar gestern Monty Schädel, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft. Doch nicht auf der gewünschten Route. Die Organisatoren der Anti-Bush-Demonstrationen sind gestern mit ihrem Eilantrag gegen ein Versammlungsverbot in Teilen Stralsunds gescheitert. Das Verwaltungsgericht Greifswald erachtete die Auflagen „im Wesentlichen als rechtmäßig“. Schädel, der den Protest für ein Aktionsbündnis von rund 30 friedenspolitischen und globalisierungskritischen Gruppen sowie anderen linken Initiativen koordiniert, wollte eine Mahnwache auf dem Neuen Markt während des Bush-Besuchs abhalten. Die Stadtverwaltung genehmigte die Veranstaltung jedoch erst für den Donnerstagnachmittag – wenn der amerikanische Präsident bereits abgereist ist. Auch die Vorgaben für die Routen der beiden Demonstrationszüge und des Platzes für die Abschlusskundgebung außerhalb der Altstadt seien rechtmäßig, entschied das Gericht.

Bush wird heute Abend mit der Air Force One auf dem Militärflughafen Rostock Laage erwartet und von dort aus voraussichtlich per Hubschrauber in das 40 Kilometer entfernte Ostseebad Heiligendamm gebracht, wo auch 2007 das Gipfeltreffen der G-8-Staaten stattfinden wird. Am Donnerstagvormittag wird der Präsident dann zunächst die Stralsunder Marineschule Parow besuchen, anschließend mit einem gepanzerten Straßenkreuzer zum Alten Markt fahren, von wo aus er das Stralsunder Rathaus und die Nikolaikirche besichtigen wird. Gegen 15.30 Uhr will der Präsident Stralsund bereits wieder verlassen und zum Grillen nach Trinwillershagen südwestlich von Stralsund fahren.

Die Demonstrationen gegen den Bush-Besuch sind nach Ansicht der Bush-Kritiker ein international sichtbares Zeichen für den Frieden. „Sie sind ein Signal, dass Bush nirgendwo hingehen kann, ohne dass gegen ihn demonstriert wird“, sagte Pedram Shahyar, Sprecher des globalisierungskritischen Netzwerks Attac. Berit Schröder, Aktivistin der Interventionistischen Linken, betonte, dass es ihnen nicht um die Person Bush an sich geht. Vielmehr wollten sie von Stralsund aus allgemein gegen das G-8-Treffen protestieren, das am Samstag im russischen Sankt Petersburg beginnen wird. Die russische Polizei habe bereits mehrere Aktivisten festgenommen – unter anderem zwei Deutsche.

Schädel betonte, dass es sich in Stralsund um einen friedlichen Protest handelt, der sich zugleich klar von Rechtsextremisten abgrenzt, die ebenfalls Proteste vorhaben. Neben den zwei Demonstrationen in Stralsund planen die Linken bereits für heute Abend eine Kundgebung in Rostock. Aktivisten aus Hamburg, Berlin und München hätten sich angekündigt, so Schädel. Geplant seien zudem Busse aus dem Ruhrgebiet. Die Veranstalter rechnen mit „einigen tausend Teilnehmern“.

Aber auch bei vielen Stralsundern ist Bush nicht willkommen. Dabei geht es den meisten gar nicht um das Friedensthema, berichtet Schädel, sondern eher um die Frage, warum für den dreitägigen Urlaub eines Staatsmanns weit über 20 Millionen Euro ausgegeben werden. „In einer Region, in der 23 Prozent der Bevölkerung arbeitslos sind, gibt es für diese Verschwendung kein Verständnis“, sagte Schädel.