Schneemann gegen Bleiberecht

„Niedersachsen ist Vorbild“: Innenminister Uwe Schünemann verweist im Landtag auf Erfolge bei der Integration. Die Opposition beeindruckt das nicht, „halbherzig“ findet des Ministers Politik aber auch seine Ausländerbeauftragte

Seine umstrittene Ausländerpolitik hat Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) gestern im Landtag verteidigt und auf die Bemühungen des Landes bei der Integration von Ausländern verwiesen. Ein allgemeines Bleiberecht für lange in Deutschland lebende Flüchtlinge lehnte Schünemann aber erneut ab. Die Oppositionsparteien warfen der Regierung Hartherzigkeit vor. „Unterm Strich kommt keine Menschlichkeit zustande“, erklärte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. Sein SPD-Pendant Wolfgang Jüttner attestierte dem Innenminister: „Sie und Integration – das ist wie einen Schneemann zum Sommer beauftragen.“

Beim Thema Integration sieht Schünemann das Land ganz weit vorn. „Niedersachsen steht für eine pragmatische und zeitgemäße Integrationspolitik“, sagte er deswegen, „wir gestalten und optimieren Integrationsprozesse“, und: „Niedersachsen ist Vorbild“. Die konkrete Bilanz fiel weniger üppig aus: Schünemann verwies darauf, dass Niedersachsen als erstes Bundesland die flächendeckende Sprachfrühförderung eingeführt habe und staatlich verantworteten islamischen Religionsunterricht anbiete.

Der Forderung nach einem Stopp so genannter Kettenduldungen und einem dauerhaften Bleiberecht für langjährig geduldete Flüchtlinge erteilte Schünemann eine Absage. Menschen, die nicht selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen könnten, die ihre Identität verschleierten oder straffällig geworden seien, könnten kein Bleiberecht erhalten. Dieselben Ausschlusskriterien hatte Schünemann zuvor schon für die Härtefallkommission angekündigt, die nach starkem politischen Druck nun doch eingerichtet werden soll.

Zuletzt hatte Schünemanns eigene Ausländerbeauftragte, Gabriele Erpenbeck, die von der Landesregierung aufgestellten Kriterien für ein Bleiberecht als „halbherzig“ angeprangert. Schon wegen der derzeitigen Rechtslage könnten viele geduldete Ausländer gar nicht für sich und ihre Familien aufkommen: „Viele Flüchtlinge haben nie eine Arbeitsgenehmigung bekommen“, erklärte Erpenbeck, „oder, wenn sie sie bekommen haben, keinen Arbeitsplatz gefunden.“

Der Göttinger Rechtsanwalt und Caritas-Fachberater Bernd Waldmann-Stocker übte gestern ebenfalls scharfe Kritik an der Flüchtlingspolitik im Land. Die Kinder langjährig geduldeter Menschen würden in eine extrem unsichere Situation geboren. Der Jurist monierte vor allem eine Verwaltungsvorschrift, wonach die Frage der Zumutbarkeit bei Abschiebungen keine Rolle mehr spiele. Niedersachsen mute Kindern eine Abschiebung ins Heimatland ihrer Eltern zu, obwohl sie weder dessen Sprache noch Kultur kennen würden.

In Northeim demonstrierten derweil gestern rund 150 Menschen für ein Bleiberecht des Kurden Sami Meri und seiner sechs Kinder. Der 35-Jährige war vor 21 Jahren wegen des Bürgerkriegs im Libanon nach Deutschland geflüchtet. Die Behörden werfen ihm nun vor, er habe sich damals als staatenloser Libanese ausgegeben und seine wahre Identität als Türke verschleiert.REIMAR PAUL