: Sparkassen-Fernsehen
Als letzter großer Privatsender stellt heute RTL das neue Programm für die kommende TV-Saison vor. Große Sprünge sind nicht drin. Intern wird weiter umgebaut und neidisch auf die Konkurrenz geschielt
AUS KÖLN WILFRIED URBE
Wenn Anke Schäferkordt heute in Hamburg das kommende Herbstprogramm von RTL vorstellt, ist eines sicher: Kostspielige Produktionen werden nur wenige darunter sein. Denn, so soll sie sich im internen Kreis geäußert haben: Die Renditemaximierung bei den Erzkonkurrenten von der ProSiebenSat.1 Media AG sei für sie beispielhaft – und nicht allein die guten Umsätze oder Marktanteile von RTL.
Und so spart die bodenständige Senderchefin seit fast einem Jahr, was das Zeug hält: Jeder Produktionsetat wird genau geprüft, selbst teure Eigenproduktionen wie „Alarm für Cobra 11“ oder „Explosiv“ stehen auf dem Prüfstand, zuliefernde Produktionsfirmen werden im Preis unnachgiebig gedrückt. Auch die RTL-Nachrichten sollen bald komplett von n-tv gemacht werden.
Und so wird beispielsweise einem alt gedienten Mitarbeiter, der – immerhin zuständig für ein Budget im dreistelligen Millionenbereich – die Bitte um einen Dienstwagen abschlägig beschieden: „Wenn die Zahlen in einem halben Jahr stimmen, dann schauen wir einmal.“ Auch die Chefin selbst geht mit gutem Beispiel voran, etwa, wenn sie auf die teure Business-Class verzichtet und mit einem Billigflieger zur TV-Programmmesse nach Cannes gondelt.
Im Hochglanz der Medienwelt allerdings, wo der Mix aus Schein, Sein und Imponiergehabe dazugehört, ist das für viele ein Affront. Als skandalös empfanden einige Mitarbeiter schon ihre Berufung: Die ehemalige Geschäftsführerin des „kleinen“ Senders Vox kommt und soll der altgedienten Führungscrew des TV-Marktführers nun erzählen, wie es wirklich geht. Das hebt nicht gerade die Stimmung.
Genauso wenig wie die Unternehmensberater, die seit einigen Jahren Dauergäste in der Kölner Sendezentrale sind: Mit vermeintlichen Jobkillern im Nacken arbeitet es sich nicht ganz so entspannt. „Leute, die keine Ahnung von der Branche haben, entscheiden darüber, wie effektiv beispielsweise ein Redakteur seine Arbeit macht“, ärgert sich ein Mitarbeiter. Zurzeit, heißt es intern, stehe das Jobroulette bei 300 Stellen, die zukünftig entfallen sollen. Ganz oben auf der Abschussliste: Angestellte, die wegen langjähriger RTL-Zugehörigkeit hohe Gehälter bekommen.
Anke Schäferkordt hat eine schwere Aufgabe übernommen, die sie bisher höchst respektabel meistert: Immerhin verfügte sie am Anfang über keine eigene Hausmacht, sondern muss sich bis heute mit den Urgesteinen aus der Anfangszeit des Senders wie dem Lager ihres Vorgängers Gerhard Zeiler befassen. Zeiler, heute übergeordneter Chef der gesamten RTL-Group mit Sitz in London und Luxemburg sowie TV-Vorstand beim RTL-Mutterkonzern Bertelsmann, hatte Schäferkordt Anfang 2005 von Vox zu RTL geholt – allerdings zunächst nur als stellvertretende Geschäftsführerin.
Die ihr direkt untergeordnete frühere Führungsebene ist mittlerweile nahezu komplett verschwunden: Informationsdirektorin Ingrid Haas, Programmdirektor Frank Berners, der technische Direktor Adam Musialik und auch der Leiter Business Affairs Matthias Settele sind nicht mehr beim Sender. Und: Ihre Positionen wurden zum größten Teil nicht neu besetzt.
„Das hat sie gut hinbekommen“, urteilt ein gut informierter Beobachter, „sie hat die Filter ausgeschaltet und steht nun im direkten Kontakt zu den einzelnen Abteilungen.“ Selbst vom Betriebsrat kam schon Lob: Ihre Art, wie sie mit Mitarbeitern spreche, ihre Verbindlichkeit seien für eine „Geschäftsleitung nicht zwingend“.
Zurzeit verdichten sich allerdings Gerüchte, dass zumindest Frank Berners dem Sender doch noch stärker verbunden bleibt: als Produzent, der den RTL-Nachmittag neu konzipieren soll. Der Sender bleibt also eine Baustelle – nicht nur wegen der besseren Renditen der Konkurrenz. Auch das neue Domizil, die noblen alten Kölner Messehallen direkt am Rhein, wirkt derzeit noch völlig unfertig. Bei RTL verspricht man sich viel vom für 2008 geplanten Umzug aus der kölnischen Peripherie – bislang residiert der Sender eher gewerbeparkmäßig in Hürth.
Und dann blühen im RTL-Kosmos nach wie vor Spekulationen über den Abgang von Schäferkordts Kurzzeitvorgänger Marc Conrad, den Zeiler als seinen eigentlichen Erben zu RTL zurückgeholt hatte. Doch der Mann, der von 1992 bis 1998 schon mal RTL-Programmdirektor war, wurde nach nur 100 Tagen im neuen Amt vom allmächtigem Zeiler in die Wüste geschickt.
Zunächst hieß es, die RTL- Führungsriege sei erzürnt und verängstigt fast komplett vollzählig bei Bertelsmann vorstellig geworden, nachdem Conrad direkt zum Amtsantritt allen mit Rausschmiss gedroht habe. Ein intimer Kenner des Senders hat noch eine weitere Vermutung: „Der hat wirtschaftliche Fehlentscheidungen aus der Vergangenheit entdeckt, die in seiner Amtszeit möglicherweise zum Tragen gekommen wären. Dafür hätte er nicht die Verantwortung übernommen, sondern die Hintergründe öffentlich gemacht.“ – Zumindest das wird nach einer Millionenabfindung für 100 Tage Arbeit jetzt wohl nicht mehr passieren.