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Archiv-Artikel

Billiger mobil telefonieren im Ausland

Die EU-Kommission will die Verbraucher vor überhöhten Gebühren schützen. Mit einer Verordnung setzt sie Höchstpreise fest. Mit dem Handy aus dem Ausland nach Hause zu telefonieren soll nicht mehr als 49 Cent pro Minute kosten dürfen

EU-Kommission: Rund 147 Millionen Handybesitzer könnten von der Neuregelung profitieren

aus Brüssel D. WEINGÄRTNER

Das Telefonieren auf Reisen wird billiger. Die EU-Kommission beschloss gestern, die so genannten Roaming-Gebühren für die Nutzung ausländischer Mobilfunknetze zu deckeln. Zunächst sollen Höchstpreise für die Kosten festgelegt werden, die ein Betreiber dem anderen berechnen darf. Sechs Monate später treten Höchstpreise für die Verbraucher in Kraft.

Kommissionspräsident Barroso kündigte an, die neue Verordnung werde die Preise für Telefonate im Ausland bis zu 70 Prozent senken. Derzeit seien die Preise bis zu viermal höher als die Kosten, die den Betreibern entstünden.

Rund 147 Millionen Handynutzer könnten von der Initiative profitieren, sagte Barroso. Davon sind 37 Millionen private Urlauber und 110 Millionen Geschäftskunden. Über die erwarteten Einbußen für die Branche machte die Kommission keine Angaben. Da bei billigen Roaming-Gebühren voraussichtlich mehr Reisende ihr Handy benutzen würden, könnte der Verlust durch höhere Umsätze vermindert werden.

Ursprünglich war die zuständige Kommissarin Viviane Reding mit der Forderung angetreten, Telefonieren im Ausland dürfe im Binnenmarkt nicht mehr kosten als zu Hause. Nach massiven Protesten der Netzwerkbetreiber, die bis zu 15 Prozent ihres Profits aus diesen Gebühren erzielen, schalteten sich Industriekommissar Günter Verheugen, Handelskommissar Peter Mandelson und der für Transport zuständige französische Kommissar Jacques Barrot ein. Sie erreichten, dass nun die tatsächlich entstehenden Kosten plus maximal 30 Prozent Gewinn als Obergrenze zugrunde gelegt werden sollen.

Für den Verbraucher bedeutet das, dass er künftig maximal 49 Cent pro Minute zahlt, wenn er mit dem deutschen Handy aus dem Ausland nach Hause oder in ein anderes Land telefoniert. Bislang können die Kosten bis zu doppelt so hoch sein. Anrufe innerhalb des Ferienlandes dürfen künftig nicht mehr als 33 Cent pro Minute kosten. Auch wer angerufen wird, muss weiterhin eine Gebühr an den Netzbetreiber des Gastlandes zahlen. Aber auch diese sinkt im Vergleich zu den bislang üblichen Preisen – auf höchstens 16,5 Cent pro Minute.

Bislang sind diese Gebühren für den Kunden kaum durchschaubar und in den einzelnen EU-Ländern extrem unterschiedlich. So kostet es in Deutschland durchschnittlich 69 Cent pro Minute, auf dem ausländischen Handy angerufen zu werden. Malta hält mit 1,11 Euro im Durchschnitt den Rekord, in Zypern dagegen sind durchschnittlich nur 24 Cent fällig.

Kommissionspräsident Barroso betonte gestern, diese Kosten belasteten auch Unternehmen, deren Mitarbeiter im Binnenmarkt auf Geschäftsreise seien. „Wenn ein Manager in New York aus Kalifornien angerufen wird, kostet ihn das keinen Cent. Wenn ein Geschäftsmann in Frankreich unterwegs ist und von seiner Firma in Italien kontaktiert wird, entstehen doppelte Kosten.“ Die Kommission habe tätig werden müssen, da es im grenzüberschreitenden Telefonverkehr keine Preistransparenz und keine marktwirtschaftliche Konkurrenz gebe. „In einem wettbewerbsfähigen Markt gibt es einen Zusammenhang zwischen Kosten und Preisen. Beim Roaming sind die Preise von den Kosten völlig losgelöst.“

Um die Preise für Verbraucher durchschaubarer zu machen, werden die Betreiber nun verpflichtet, dem Kunden die Roaming-Gebühren per SMS oder über eine Hotline zugänglich zu machen. Reding wandte sich gegen den Vorwurf, sie habe sich letztlich dem Druck der Industrie gebeugt und deshalb ihre Forderung aufgegeben, das Telefonieren dürfe im Ausland nicht teurer sein als zu Hause. „Die europäische Verbraucherschutzorganisation hat mich gewarnt, den Bogen nicht zu überspannen.“ Deren Sorge sei, dass zu starke Einschnitte beim Roaming Preiserhöhungen bei anderen Mobilfunk-Diensten nach sich ziehen könnten. Barroso betonte, sein Kollegium sei dem ursprünglichen Ansatz treu geblieben und habe am Ende einstimmig Redings Vorschlag gebilligt. „Nun sind die Regierungen am Zug. Wir werden sehen, ob sie so ehrgeizig sind wie die Kommission – ich bin mir da nicht sicher.“