: Sind so kleine Schritte
Nur langsam geht es voran für Eltern, die ihre Kleinkinder tagsüber betreuen lassen wollen. Schwarz-Rot will mehr Plätze
VON COSIMA SCHMITT
Es war ein Tag des Ausblicks, ein Tag der Zahlen. Und eine Chance, den Bürgern zu beweisen, dass die Politik das Modethema Familienförderung nicht nur zerredet, sondern auch mit Taten aufwarten kann.
Ursula von der Leyen (CDU) stellte gestern eine erste Bilanz des Kitaausbaus vor. „Es tut sich sehr viel“, sagte die Familienministerin. 2002 fand im Schnitt nur jedes zehnte Kind unter drei Jahren einen Platz in der Krippe. Heute ist dort schon Raum für fast jedes siebte Kind – in den Großstädten für jedes vierte. Gerade im unterversorgten Westen hat sich das Angebot gegenüber 2002 verdoppelt. Zwei von drei Kommunen sind dabei, neue Krippen zu bauen oder Tagesmütter fortzubilden. Die gesetzlich verankerte Vorgabe, 230.000 neue Plätze zu schaffen, „scheint erreichbar“, sagte die Ministerin – auch wenn „der Weg noch weit“ sei.
Zur Erinnerung: Ziel ist es, bis 2010 etwa jedem fünften Kind unter drei Jahren einen Betreuungsplatz zu bieten. So hofft Deutschland, auf das Niveau anderer entwickelter Länder aufzuschließen. Denn dem üppigen Kitaangebot in Deutschland Ost steht ein verheerender Mangel im Westen gegenüber.
Ob sich dies mehr als nur geringfügig ändert, soll ein jährlicher Bericht dokumentieren. Noch dürfen sich die Kommunen hinter der Anonymität verstecken. Bei künftigen Bilanzen aber werden Namen genannt: Wer baut Krippe um Krippe, wer wahrt lediglich den Status quo? Die Regierung hofft so, die Gemeinden zu disziplinieren. Denn die Unterschiede, wie engagiert sich die Kommunen dem Ausbau widmen, seien „sehr groß“, sagt von der Leyen. Und die Druckmittel der Regierung sind bescheiden. Sie steht vor einem Dilemma: Einerseits macht sie sich unglaubwürdig, wenn sie mehr Mut zum Kind fordert, vielen Eltern aber nicht einmal den Basisdienst Kinderbetreuung bieten kann. Andererseits entscheiden letztlich die Kommunen selbst, wie viele Kitas sie unterhalten. Unklar ist auch, wie viele Städte sich überhaupt eine solche Großinvestition leisten können. Zwar sagte von der Leyen, die Regierung habe wie geplant im Zuge der Hartz-IV-Novellen 2,5 Milliarden Euro an die Länder weitergereicht, von denen 1,5 Milliarden dem Kita-Ausbau dienen sollen. Ob aber tatsächlich so viel Geld vom Land an die Kommunen gegeben wird und diese damit Krippen ausstatten, ist unklar. So bleibt von der Leyen vor allem der verbale Appell. Sie argumentiert – ganz in der Tradition ihrer SPD-Vorgängerin Renate Schmidt – mit der wirtschaftlichen Vernunft. Viele Kitas und gute Tagesmütter seien ein „Standortfaktor“, der junge, gut qualifizierte Paare am Ort halte – und somit eine Investition, die sich langfristig rechnet.
Der Kitaausbau steht im Mittelpunkt des Interesses, weil er als Mittel gilt, das gleich mehreren populärer Zielen dient: Er erleichtert Müttern die Rückkehr in den Job. Zudem können Kleinkinder aus problematischen Milieus soziales Verhalten lernen – und Migrantenkinder die deutsche Sprache. Darüber hinaus ist das Ziel „mehr Kitas“ symbolisch aufgeladen: Es gilt als Gradmesser, wie sehr die CDU, einst Unterstützer der Rollenteilung in Hausfrau und Alleinverdiener Mann, auch den Bedürfnissen junger, berufstätiger Großstädterinnen zu entsprechen vermag. Ein Erfolgsbericht kann zudem Skeptiker besänftigen, die fürchten, dass mit dem Ende von Rot-Grün auch das Ende einer Politik gekommen ist, die sich stärker den Belangen der berufstätigen Frau widmet.
Doch gerade für ein Paar, bei dem beide neben dem Kind auch eine Karriere planen, ist die Bilanz alles andere als zufrieden stellend. Das Gros der Kitas orientiert sich nach wie vor am Modell der allenfalls hinzuverdienenden Frau. Dass eine Krippe länger als bis 18 Uhr geöffnet hat, ist die große Ausnahme. „Verbesserungswürdig“ nennt von der Leyen dies und fordert ein Umdenken: „Die Kitaöffnungszeiten müssen sich nach den Bedürfnissen der Eltern richten und nicht umgekehrt.“
Dramatisieren will die Familienministerin dies nicht. „Es lohnt sich, gelassen zu bleiben“, sagt sie. Eine „starke Dynamik“ sei jetzt schon messbar. Der Rest werde sich finden. Sie hofft zudem auf Wechselwirkungen innerhalb der Familienpolitik: „In Schweden haben wir gesehen, dass mit dem Ausbau des Elterngeldes auch der Ausbau der Kitas einen enormen Schub bekommen hat“. Bis dahin kann sie nur auf den Ehrgeiz der Städtevertreter hoffen: Immerhin jede dritte Kommune gab an, sie wolle noch vor 2010 das Ausbauziel erreichen.