: „Es hapert an allen Ecken“
KRIPPENAUSBAU Nürnberg wird bis 2013 für 35 Prozent der unter Dreijährigen Kitaplätze schaffen, meint Oberbürgermeister Maly. Doch das reiche nicht
■ 49, ist Sozialdemokrat, seit 2002 Oberbürgermeister von Nürnberg und Mitglied im Bundesvorstand der SPD.
taz: Herr Maly, die Bundesfamilienministerin geht davon aus, dass mit der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz im August 2013 für die unter Dreijährigen in den Kommunen ausreichend Kitaplätze zur Verfügung stehen werden – nämlich für 35 Prozent der Kinder. Schaffen Sie das in Nürnberg?
Ulrich Maly: Wir werden alles dafür tun. Hier im Süden Deutschlands kommen wir ja wirklich aus einem Tief, was die frühkindliche Betreuung angeht. Als ich 2002 als Oberbürgermeister gestartet bin, waren wir bei unter 10 Prozent, jetzt liegen wir bei 17 Prozent, und wir streben die 35 Prozent bis 2013 am. Aber es wird eng.
Wo liegt das Problem?
Das Ganze kostet natürlich sehr viel Geld. Für die 35 Prozent werden wir 55 Millionen Euro öffentliche Mittel ausgeben – Geld, das wir eigentlich nicht haben. Dennoch steht der Ausbau nicht in Frage, weil er für mich absolute Priorität hat. Andere Kommunen sagen: Die frühkindliche Betreuung muss warten, weil wir kein Geld haben. Das machen wir nicht. Aber es hapert trotzdem an allen Ecken: In einer klassischen Industriestadt wie Nürnberg ist die Nachfrage dort am größten, wo die Stadt besonders stark verdichtet ist. Da ist es aber auch besonders schwer, Standorte für Krippen zu finden. Und es beginnt ein Engpass an ausgebildeten Erzieherinnen. In Nürnberg haben wir aber glücklicherweise eine stadteigene Erzieherausbildung.
Es gibt inzwischen Prognosen, die davon ausgehen, dass der Bedarf weit größer sein wird als 35 Prozent. Sehen Sie das auch?
Ja, davon muss man ausgehen. Ich glaube, am Ende werden wir bei 60 bis 70 Prozent landen. Das ist der Standard in den europäischen Ländern, die bei der Kinderbetreuung führend sind: Frankreich und die skandinavischen Länder. Frankreich liegt bei 60 Prozent, Dänemark und Schweden darüber. Warum sollten deutsche Mütter und Väter anders sein?
Befürchten Sie also ab 2013 eine Klagewelle?
Nein, eigentlich nicht. Aber ich befürchte, dass wir 2013, wenn wir 35 Prozent erreicht haben, das nächste Investitionsprogramm brauchen, um weiterzumachen. Und dazu brauchen wir mehr Unterstützung von der Bundesfamilienministerin.
Welche?
Geld. Ganz einfach. Wenn man sagt, dass der Krippenausbau eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, dann müssen Bund und Länder die Kommunen bei dieser Herkulesaufgabe stärker unterstützen. Zum Beispiel mit einer Finanzierung, bei der jeder ein Drittel übernimmt.
Finden Sie es falsch, dass die Bundesregierung den Rechtsanspruch festgeschrieben hat, obwohl es noch nicht ausreichend Plätze gibt – und damit das Problem auf die Kommunen abwälzt?
Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Natürlich stört mich, wenn der Bund Gesetze schreibt, die wir dann umsetzen müssen. Faktisch aber ist es so, dass ohne den Rechtsanspruch der Ausbau deutlich langsamer vonstatten gehen würde.
INTERVIEW: SABINE AM ORDE