Berliner Platte
: The Up Escalator leiden unter ihrem Standortnachteil, Noob präsentieren sich als perfekt geölte Zeitmaschine und Revolt sind nicht mehr als eine gelungene Kopie

Revolt (Vertigo/Universal)

Den jüngeren unter den Lesern sei ein Geheimnis anvertraut: Früher sangen deutsche Bands englisch. Fast alle jedenfalls. Das ist gar nicht sooo lange her, hat sich aber bekanntlich ja grundlegend gewandelt. Heutzutage werden englisch singende Bands von Plattenfirmen gefragt, ob sie nicht auf Deutsch umsteigen könnten. Früher war das genau andersrum.

Früher wären The Up Escalator wahrscheinlich auch ganz schnell im Aufzug in die oberen Etagen eines größeren Plattenkonzerns gefahren, um dort einen Plattenvertrag zu unterschreiben. Früher wäre der Firma, die sie verpflichtete, ihr flotter Gitarrenrock ein Versprechen darauf gewesen, dass deutsche Bands womöglich doch mal international mithalten können. Denn das Quintett kopiert recht souverän das aktuelle britische Erfolgsrezept aus hellen Jungsstimmen, euphorischen Melodien und ein paar avantgardistisch wirkenden Rhythmuswechseln. So sehr lieben sie Britannien, dass sie sogar das dort verbreitete EP-Format importieren und auf „Life Is Sound“ fünf Songs versammeln. Auf der Insel ist dieser Sound massenkompatibel, aber als deutsche Band, die erst gar nicht versucht deutsch zu klingen, leiden The Up Escalator leider unter einem nicht aufzuholendem Standortnachteil.

Noob: „Time To Come“ (Fam/Alive!)

Gleiches gilt noch verschärfter für Noob. Denn das Quartett hat sich seine Vorbilder noch weiter weg gesucht: Statt nur über den Ärmelkanal blickt man auf dem Debut „Time To Come“ gleich über den Großen Teich. Ausgerechnet der amerikanische Stadionrock hat es ihnen angetan, der doch in seiner Heimat bereits weitgehend ausgestorben schien. Immerhin: Statt Stretch-Jeans und Dauerwelle tragen Noob durchaus geschmackvolle Anzüge mit weiß glänzenden Krawatten. Umso irritierender, dass diese perfekt geölte Zeitmaschine Erinnerungen heraufbeschwört, die man sehr erfolgreich verdrängt hatte. Allerdings: Während Rock ja sonst was mit Schweiß zu tun hat, wirken die Ergüsse von Noob geradezu aseptisch. Vor lauter perfektem Handwerk und dem Bemühen, den Vorbildern möglichst nahe zu kommen, haben sie ihren Songs alles Leben weggeprobt. Das Seltsamste aber: Rein ökonomisch gesehen ist das heute Indie-Rock, denn „Time To Come“ erscheint beim Mini-Label.

The Up Escalator: „Life Is Sound“ (Phonector/Alive!)

Revolt haben es – die Ausnahme, die die Theorie bestätigt – trotzdem auf die Gehaltsliste eines Majors geschafft. Der Gitarrenrock auf ihrem ersten, titellosen Album ist sehr viel epischer und wiederholt ebenso beständig wie durchaus gut gelaunt die Muster des momentan in den USA so erfolgreichen Emo-Rocks. Wenn zu beweisen war: Wir können das auch. Dann darf festgestellt werden: Abel, Matze und Toni, die lieber keine Nachnamen haben, können das tatsächlich. Die Frage ist nur: Was ist damit geleistet? Breitwandgitarren nebeneinander stellen, die Verstärker aufdrehen und dazu sehnsüchtig singen, all das sollte man vielleicht nicht nur den Amerikanern überlassen. Andererseits aber darf man sich anschließend auch nicht wundern, wenn man immer nur als ziemlich gelungene Kopie wahrgenommen wird. THOMAS WINKLER