Hartz IV verhindert Jobs

Für viele Arbeitlose sind firmenfinanzierte Umschulungen die letzte Chance. Doch die Arbeitsagentur zieht nicht mit, sagt Wolfgang Prill, Vorstand des privaten Bildungsanbieters Grone-Stiftung

Interview: Martina Helmke

taz: Sie haben es geschafft, Unternehmen zur Finanzierung von Umschulungen zu bewegen. Mit welchen Mitteln der Überzeugung arbeiten Sie?

Wolfgang Prill: Es gibt viele Unternehmen, die Fachkräfte suchen, die auf dem Arbeitsmarkt schwer zu finden sind. Bei einer Umschulung dieser Art können sie sich die Bewerber ganz genau anzuschauen. Unsere Zielgruppe sind 25- bis 40-jährige ALG II-Empfänger, wobei es nach oben keine Grenze gibt. Diese Menschen haben eine Geschichte, ein Schicksal. Sie sehen in der Umschulung für sich eine Chance, möglicherweise sogar die letzte. Die Firmen können darauf bauen, dass sie auch auf Dauer bei ihnen bleiben werden. Der zweite Punkt ist die soziale Verantwortung. Die Unternehmen können auf diese Weise einen Beitrag leisten, die Arbeitslosigkeit auf Dauer zu bekämpfen.

An welchen Punkten tritt bei Unternehmen, die Sie ansprechen, Skepsis auf?

Manche Unternehmen ärgern sich darüber, dass sie für einen Umschüler nun so viel bezahlen müssen. Bis 2003 waren Umschüler für die Unternehmen kostenlos. Doch diese Zeiten sind vorbei. Im Zuge der Hartz-Gesetzgebung hat die Bundesagentur für Arbeit beschlossen, nur noch Umschulungsprojekte zu fördern, die nicht länger als zwei Monate dauern. Unser Programm beläuft sich auf 21 Monate.

Woran liegt es, wenn auch Sie Bewerber nicht weitervermitteln können?

Das liegt meistens an den Bewerbern selber; wenn sie zum Beispiel den vorangehenden Test in Deutsch, Mathe und Allgemeinwissen nicht bestehen. Oder aber wenn die entsprechende Einsatzfreude beim Firmengespräch fehlt, die Persönlichkeit irgendwie nicht stimmt. Man muss aber auch sagen, dass es immer wieder welche gibt, die einfach keine Lust haben.

Besteht nicht die Gefahr, dass Umschüler junge Auszubildende ersetzen?

Ich glaube, das sind einfach zwei völlig unterschiedliche Zielgruppen und Ansätze, die nicht miteinander konkurrieren. Unsere Partnerbetriebe entscheiden sich für die Umschüler als zusätzliche Mitarbeiter.

Was für Forderungen stellen Sie an die Politik, um Menschen einen Neustart in einem anderen Berufsfeld zu erleichtern?

Man muss einfach viel früher anfangen, bevor all diese ALG II-Empfänger produziert werden. Angesetzt werden muss bereits bei den gerade arbeitslos Gewordenen. Den Einzelnen sollte man genauer betrachten und fragen: Was kannst du? Was will die Wirtschaft? Und was bist du bereit neu zu erlernen um wieder einen Platz zu finden? Es gibt so viele Branchen, in denen gesucht wird. Und auf diese Weise kann man konkrete und dauerhafte Arbeitsplätze schaffen. Die Arbeitsagentur sollte solche Projekte stärker unterstützen und nicht auf ihren wenigen Wochen beharren. Eins ist klar: Ohne die gezielte Ansprache sind die Menschen nicht in Arbeit zu bringen.