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Archiv-Artikel

Die an den Preisen drehen

MANIPULATIONEN Ob Libor, Gold, Erdöl oder Devisen – jahrzehntelang haben sich Großbanken abgesprochen, um weltweit Kurse zu bestimmen. Ein Systemfehler macht es leicht zu tricksen – zeigt eine neue Studie

HAMBURG taz | Preise bilden sich als Ergebnis von Angebot und Nachfrage. In der Theorie zumindest. UBS, Credit Suisse, der Royal Bank of Scotland, der Deutschen Bank waren die Gesetze der Marktwirtschaft nicht genug. Sie haben am Gold-, am Erdölpreis, an Zinssätzen und selbst an den Kursen von Währungen gedreht – und somit manipuliert.

Ein Systemfehler: Viele der Preisfestlegungsmechanismen auf den internationalen Finanzmärkten sind betrugsanfällig, zeigt eine neue Studie der Norddeutschen Landesbank (NordLB). Viel zu leicht könne „manch wichtige Preisgröße verfälscht werden“, schreibt die NordLB. Dies sei für die Geldhäuser sogar praktisch kostenfrei – umso attraktiver sei es, gleich ganze Messlatten, an denen sich Sparkassen, Investoren und Pensionsfonds, Rohstoffhändler und Industriekonzerne orientieren, zu manipulieren.

Wie kommen Preise auf den Finanzmärkten heutzutage eigentlich zustande? Das teuerste Manipulationsopfer ist der Anfang der 1980er Jahre entwickelte Londoner Geldmarktsatz Libor. Es wird geschätzt, dass er allein 2012 als Messlatte für Finanzprodukte im Wert von 350 Billionen US-Dollar diente, in Ziffern: 350.000.000.000.000. Angeblich spiegelte der Libor die Zinsen wider, die Kreditinstitute weltweit untereinander verlangen. Doch sein Wert hängt lediglich von zwei Dutzend großer Banken ab. Sie melden einer Behörde in London ihre Zinssätze, die sie allerdings selbst schätzen – oder fälschen. Wenn Preise so gebildet werden, also lediglich auf vertrauensvollen Angaben von Managern beruhen, öffnet sich das Tor für Trickser.

Aber so ging es nicht allein beim Libor. An Schätzpreisen, die von wenigen Akteuren bestimmt werden, orientieren sich auch Erdöl- oder Wechselkurse zwischen Währungen. Da die Ölpreise entscheidend von Qualität, Menge und Lieferort abhängen, ist der Markt selbst für Experten vordergründig undurchschaubar. Deshalb gibt es Indizes, die zeigen, wie sich die Preise verändern. Zu ihrer Festlegung werden allerdings Händler befragt, nicht etwa harte Handelsdaten erhoben. Auf dem Spotmarkt in Rotterdam, wo Öl gehandelt wird, werden anders als auf den Terminbörsen in London und New York Lieferung und Bezahlung hinter verschlossenen Türen direkt abgewickelt.

Besser bestellt ist es laut NordLB allein beim Gold. Der weltweite Preis für Gold und Silber wird am London Bullion Market ermittelt. Hier bieten Händler Gold nach einem Preis an, den sie zuvor selbst festgelegt haben. Der Anreiz für Manipulationen ist hier zwar niedriger, trotzdem ermittelt auch hier die Aufsicht.

Besser bestellt um die Qualität der Preise soll es aus Analystensicht auch bei Aktien und Wertpapieren sein – wenn die- se über eine Börse „real“ gehandelt werden. Dort werden die Kurse nicht geschätzt, sie ergeben sich aus Angebot und Nachfrage. Frei vom Manipulationsverdacht sind auch die Börsen nicht, allerdings ist Schummeln dort viel schwerer. Wer „echte“, nicht geschätzte Preise manipulieren will, muss auch wirklich etwas kaufen oder verkaufen. Manipulieren wird also kostspieliger.

Finanzaufseher in Europa, Amerika und Asien ermitteln derzeit in ungezählten Verdachtsfällen, gleichzeitig denkt die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die Bank der Zentralbanken, über Regulierungen nach. Denkbar ist eine Pflicht, auch Rohstoffe und Währungen an vergleichsweise transparenten Börsen zu handeln. Denkbar wäre auch eine Meldepflicht für wichtige Preisinformationen an unabhängige Dritte oder Behörden.

HERMANNUS PFEIFFER