: „Verräter der Nation“
KOSOVO Ein Bericht von Reporter ohne Grenzen dokumentiert, wie Politiker und Behördenvertreter die Pressefreiheit bekämpfen
VON BARBARA OERTEL
Knapp zweieinhalb Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo von Belgrad ist es um die Medien- und Pressefreiheit in der ehemaligen südserbischen Provinz überaus schlecht bestellt. Zu diesem wenig ermutigenden Ergebnis kommt die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (RGO) in ihrem vor wenigen Tagen veröffentlichten Bericht „Kosovo, Pressefreiheit – es ist noch nicht zu spät“.
So versuchten Politiker und Vertreter von Behörden systematisch, regierungskritische und investigative Medienmitarbeiter mundtot zu machen, indem sie diese öffentlich als „unpatriotisch“, „Verräter der Nation“, „serbische Spione“ oder schlicht „Gegner des Kosovo“ verleumdeten. Derlei Hetzkampagnen machten die Betroffenen auch wiederholt zur Zielscheibe nationalistischer Aktivisten, beispielsweise von UÇK-Veteranen.
Eine weitere gängige Art der Schikane unter dem Deckmantel des Kampfs gegen Korruption sind regelmäßige Steuerprüfungen. Besonders betroffen hiervon ist die Zeitung Koha Ditore – neben dem Konkurrenzblatt Zeri laut RGO derzeit eines der beiden einzigen Printmedien, die sich erfolgreich um Autonomie und eine ausgewogene Berichterstattung bemühen. Da die Justiz im Kosovo nicht unabhängig ist, sondern oftmals korrupt und nur ein verlängerter Arm von Klientelpolitik, können bedrängte Medien auch von dieser Seite keine Unterstützung bei der Durchsetzung ihrer Rechte erwarten.
Ein weiteres Hindernis bei der Entwicklung hin zu einer freien und pluralistischen Presselandschaft stellt der Anzeigenmarkt dar. Dieser ist bislang weder liberalisiert noch gesetzlich geregelt. Regierung, Behörden und politische Parteien nutzen diese Grauzonen, um mit Mitteln aus ihren gut ausgestatteten Werbeetats ihnen genehme Medien zu alimentieren oder deren Arbeit in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Eine derart verstärkte Einflussnahme zeigt sich vor allem auch beim Fernsehen, das für 70 Prozent der Kosovaren die Hauptinformationsquelle darstellt. Der wichtigste Kanal, Radio Televisioni i Kosoves (RTK), befindet sich unter totaler Kontrolle des Regierungschefs Hashim Thaçi. Kritische Beiträge über Politik und Wirtschaft sucht man bei diesem Sender, dessen Leitungsgremium ausschließlich mit regierungsgenehmen Personen besetzt ist, vergebens.
Ein neues Gesetz, das seit einigen Monaten in Kraft ist, verpflichtet RTK, auch Beiträge unabhängiger Anbieter ins Programm aufzunehmen. Als Mitarbeiter einer dieser Sendungen („Life in Kosovo“) im Mai 2009 im Ort Skenderaj zum Thema Kommunalwahlen recherchierten, wurden sie angegriffen und am Filmen gehindert. Die Polizei schaute tatenlos zu.
Mittlerweile versuchen vermehrt private Kanäle, dem Monopol von RTK etwas entgegenzusetzen. Derartige Versuche, etwa des Senders Rrokum TV, scheitern jedoch häufig daran, dass ihnen keine lokale terrestrische Sendelizenz erteilt wird.
Der ROG-Bericht schließt mit Empfehlungen und einem Forderungskatalog, um die Situation der Medien und die Pressefreiheit im Kosovo zu verbessern. So solle Eulex, die EU-Rechtsstaatsmission im Kosovo, bei der Ausbildung von Richtern den spezifischen Rechten der Presse und der neuen Medien besondere Bedeutung beimessen, lautet eine der Forderungen.