Ziviler Widerstand gegen Wahlbetrug

Großdemonstration und Klage für die Neuauszählung aller Stimmen der Präsidentschaftswahlen in Mexiko. Der gemäßigte Linke Andrés Manuel López Obrador fühlt sich um seinen „legitimen Triumph“ gebracht. Unterstützung für rechte PAN bröckelt

AUS MEXIKO-STADT WOLF-DIETER VOGEL

Andrés Manuel López Obrador gibt nicht auf. Vor etwa einer Million Menschen rief Mexikos offiziell unterlegener Präsidentschaftskandidat zu „friedlichem zivilen Widerstand“ auf. Ein „Bürgerkomitee“ solle darüber entscheiden, welche Aktion unter welchen Bedingungen umgesetzt werden.

Der gemäßigte Linke wirft der konservativen Regierung vor, sie habe ihn durch einen Wahlbetrug um seinen „legitimen Triumph“ gebracht. Um Klarheit zu schaffen, müsse „Stimme für Stimme, Wahllokal für Wahllokal“ noch einmal gezählt werden, fordert der 52-Jährige. Anhänger seiner Partei der Demokratischen Revolution (PRD) skandierten zustimmend: „Du bist nicht allein.“

López Obrador unterlag dem katholisch-konservativen Felipe Calderón von der Partei der Nationalen Aktion (PAN) um 0,58 Prozentpunkte – etwa 240.000 der 42 Millionen abgegebener Stimmen. Da im mexikanischen Recht keine Stichwahl vorgesehen ist, gewinnt der Kandidat, der über die einfache Mehrheit verfügt. Aufgrund zahlreicher Ungereimtheiten in den Wahlbüros und der Nationalen Wahlbehörde (IFE) verlangt der PRD-Politiker, dass jede einzelne Urne geprüft wird.

Auch jenseits der PRD wächst die Zahl jener, die im Interesse des sozialen Friedens eine weitere Auszählung der Wählerstimmen unterstützen. Selbst die US- Regierung betrachtet ihre nach dem Wahltag ausgesprochene Anerkennung Calderóns als mexikanischen Präsidenten mittlerweile als übereilt. Die PAN dagegen besteht auf ihrem Wahlsieg, und wie auch die Wahlbehörde IFE lehnen die Konservativen eine Öffnung aller Urnen ab, da dies widerrechtlich sei. Für deren wahlpolitischen Sprecher Arturo García Portillo handelt es sich bei der geforderten Nachzählung um „Erpressungsmanöver und persönliche Launen“ von López Obrador, der seine Niederlage nicht eingestehen wolle. Vor einer Woche reichte die PRD beim Bundeswahlgericht eine Klage auf Neuauszählung ein. Computer seien manipuliert worden und die IFE habe parteilich zu Gunsten der regierenden PAN agiert, kritisieren die Linken.

Bei 60 Prozent der insgesamt knapp 131.000 Wahlurnen habe man „arithmetische Fehler“ festgestellt, erklärte López Obrador. „Fast 1,5 Millionen vermeintlich gezählte Stimmen sind nicht durch tatsächlich abgegebene Stimmzettel gedeckt.“ Wahlbeobachtende Organisationen wie die mexikanische Alianza Civica und die US-amerikanische Global Exchange sprachen von Unregelmäßigkeiten in 26 der 31 Bundesstaaten Mexikos. Eine Beobachtergruppe der Europäische Kommission bescheinigte der IFE hingegen „transparentes Vorgehen“. Um weitere Manipulationen zu vermeiden, werde man die „Bürgercamps stärken“, kündigte López Obrador an. Diese „Camps“ hat die PRD vor den Gebäuden der 300 Wahldistrikte eingerichtet, in denen die Wahlakten lagern.

Zudem rief López Obrador zu einer neuen Großkundgebung am 30. Juli auf, an der sich doppelt so viele Menschen beteiligen sollten wie an der Versammlung vom Sonntag. Bereits jetzt waren Gewerkschafter, Bauern und Studenten aus ganz Mexiko angereist und dominierten mit den gelben Fahnen der PRD das Zentrum der Metropole. Viele hatten sich schon am Mittwoch per Bus, Fahrrad oder zu Pferd auf den Weg gemacht, um an der Versammlung teilzunehmen.

Das Bundeswahlgericht muss bis 6. September den neuen Präsidenten verkünden. Am Sonntag ließen die Richter wissen, man werde über die PRD-Klage entlang der Aktenlage entscheiden „und nicht aufgrund der Stärke des Drucks, der auf uns ausgeübt wird“.