piwik no script img

Archiv-Artikel

Lebenslange Haft für eine Mitschuld am Völkermord

PROZESS Die Staatsanwaltschaft fordert für Onesphore Rwabukombe das höchste Strafmaß

Es ist der erste deutsche Prozess wegen des Völkermords in Ruanda

FRANKFURT/MAIN taz | Im ersten deutschen Prozess wegen des Völkermords in Ruanda, bei dem 1994 über 800.000 Tutsi von der Armee und von Hutu-Milizen umgebracht wurden, soll der Angeklagte lebenslang hinter Gitter.

Die Bundesanwaltschaft plädierte am Dienstag vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt auf lebenslange Haft minus sechs Monate – „lebenslänglich“ wegen Mittäterschaft am Völkermord, minus sechs Monate wegen der langen Verfahrensdauer.

Seit Januar 2011 stand Onesphore Rwabukombe, einst Bürgermeister der ruandischen Gemeinde Muvumba und seit 2002 als Flüchtling mit Familie in Deutschland ansässig, vor Gericht. Die Bundesanwaltschaft sieht Rwabukombes Mittäterschaft an einem Massaker als erwiesen, das ruandische Soldaten und Hutu-Milizionäre am 11. April 1994 in der Kirche des ruandischen Dorfes Kiziguro begingen. Schätzungsweise über 1.200 Menschen – die Staatsanwälte gehen jetzt vorsichtig von „mindestens 400“ aus – starben bei dem Gemetzel. Der 28 Meter tiefe trockene Brunnenschacht von Kiziguro war am Ende zu 90 Prozent mit Leichen gefüllt, als wenige Tage später die damalige Tutsi-Rebellenbewegung RPF den Ort befreite und die wenigen Überlebenden rettete.

Einige dieser Überlebenden sind jetzt Zeugen in Frankfurt gewesen. Rwabukombe sei „nicht nur Strippenzieher, sondern Leiter und Organisator vor Ort“ gewesen, so Oberstaatsanwalt Christian Ritscher in seinem Plädoyer. Er sei an der Meinungsbildung im Vorfeld und auch an der Ausführung vor Ort beteiligt gewesen, er sei „der Täter hinter den Tätern“. Rwabukombe habe, so hätten Zeugen ausgesagt, die Hutu-Milizionäre auf das Kirchengelände begleitet und aufgefordert, mit der „Arbeit“ zu beginnen – also mit dem Töten. „Sein Aufruf war Auslöser“, so Ritscher. Die hohe Anzahl der Toten und der Umstand, dass Rwabukombe vorher extra Tutsi aus einem Krankenhaus in die Kirche hatte ziehen lassen und während des Massakers noch für Nachschub an Hutu-Milizionären sorgte, gebiete es, eine „besondere Schwere der Schuld festzustellen“, so Ritscher: „Vom Angeklagten war eine größtmögliche Zahl von Morden beabsichtigt.“

Ursprünglich hatte die Anklage Rwabukombe noch zwei weitere Massaker zur Last gelegt; die Anklagen wurden aber Ende 2011 fallengelassen, weil die Beweisführung so schwierig war. Aber „was hier zur Sprache gekommen ist“, so Ritscher, „ist ein Ausschnitt aus einem der blutigsten Kapitel der jüngsten Menschheitsgeschichte.“ Das Urteil wird für den 18. Februar erwartet.

DOMINIC JOHNSON