: Master für Magister, Bachelor für wen?
In vier Jahren sollen Diplom und Magister vollständig durch Bachelor- und Masterstudiengänge ersetzt sein. Doch oft werden nur Namen verändert, Inhalte bleiben gleich. Die Studierenden drücken sich vor den neuen Abschlüssen und fürchten mit einem Bachelorabschluss schlechtere Berufschancen
VON FLORIAN HOLLENBACH
Tino Kirfe hat sich getraut. Anstatt wie viele seiner Mitstreiter den althergebrachten Diplomstudiengang zu wählen, hat er sich vor drei Jahren für den Bachelorstudiengang in Elektrotechnik entschieden. Im April dieses Jahres hat der 29-Jährige sein Bachelorstudium an der TU Berlin abgeschlossen. Der Grund für Kirfe, auf Bachelor zu studieren, war ein rein pragmatischer: „Ich fand es gut, nach sieben Semestern schon was in der Hand zu haben.“ Dann sei es immer noch möglich, mit dem Master weiterzumachen.
Die meisten seiner Mitstudenten haben später gekniffen und sich noch umentschieden. Von den anfänglich 25 Bachelorstudenten seien weniger als die Hälfte zum Examen angetreten. Viele sind schon vorher in den parallel laufenden Diplomstudiengang gewechselt.
Bis 2010 soll Schluss damit sein und alle Studiengänge sollen auf Bachelor- und Master umgestellt sein. 1999 hatte sich Deutschland mit anderen europäischen Ländern auf die Etablierung eines einheitlichen europäischen Hochschulraums geeinigt. Dazu wurde die Einführung von drei- bis vierjährigen Bachelorstudiengängen beschlossen. Ein Drittel der Absolventen solle dann darauf aufbauend noch einen ein- bis zweijährigen Masterstudiengang absolvieren. Der Abschluss entspräche in etwa dem heutigen Diplom oder Magister. Nach Abschluss des Bologna-Prozesses wären diese Titel an deutschen Unis nicht mehr im Angebot.
Inzwischen sind ein Drittel aller Studiengänge an den deutschen Hochschulen Bachelor- oder Masterstudiengänge. Diese besuchten jedoch im Wintersemester 2004/05 nur knapp acht Prozent der Studierenden.
Den Hochschulen wird, insbesondere von Seiten der Wirtschaft, vorgeworfen, die Studiengänge nicht wirklich zu reformieren, sondern ihnen nur einen neuen Namen zu geben, es fehle eben an inhaltlichen Veränderungen.
Regina Weber vom Freien Zusammenschluss der Studierendenschaften (fzs) gibt die Kritik zurück. Noch immer zögerten Studienbewerber vor der Bewerbung auf den Bachelor – aus Angst vor dem Ungewissen. „Es kann ja schon sein, dass bei den großen Unternehmen mit einem Bachelor-Abschluss noch eine Stelle zu finden ist. Wo diese dann angesiedelt ist, ist aber ungewiss.“ Bei kleineren und mittelständischen Unternehmen könne schon die Frage auftauchen, was ist ein Bachelor eigentlich?, meint Weber.
Christoph Anz, Bildungsexperte der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), räumt ein, dass zu Beginn der Umstrukturierung eine gewisse Unsicherheit in den Unternehmen geherrscht habe. „Mittlerweile stellen aber auch kleinere und mittelständische Unternehmen Bachelorabsolventen ein“, ist er überzeugt. Es komme allerdings auch darauf an, an welcher Hochschule der Abschluss erworben wurde. Die Probleme sieht Anz überwiegend bei den Absolventen: „Zu wenige Bachelorabsolventen sind ausreichend auf das Berufsleben vorbereitet.“
Bei DaimlerChrysler hätten Bachelor- und Diplomstudierende grundsätzlich die gleichen Einstiegschancen, teilt Unternehmenssprecherin Verena Müller mit. „Entscheidend ist die persönliche und fachliche Qualifikation der Bewerber.“ Eine Unsicherheit gegenüber Bewerbern mit Bachelorabschlüssen gebe es in ihrem Unternehmen nicht. Allerdings sei es im Moment schwierig, einen Überblick über die gesamte Entwicklung zu behalten. „Erst die Umsetzung in der Praxis, der Einstieg von verschiedenen Bachelor- und Masterabsolventen, wird langfristig zeigen, mit welchen Abschlüsse man am erfolgreichsten ist“, so Verena Müller.
Bei Bosch würden derzeit eher weniger Bachelor- und Masterabsolventen eingestellt, sagt Eva-Maria Pampel von der Personalabteilung. „Intern gibt es teilweise noch Unsicherheiten, wie man den Bachelor einschätzen soll.“ Bosch versieht seine Mitarbeiter deshalb mit Studienordnungen – damit sie nachlesen können, was in den Studiengängen so verlangt wird.
Noch ähneln sich die Inhalte von Diplom- und Bachelorstudiengänge an vielen Universitäten. Tino Kirfe hat seine Kommilitonen aus dem Diplomstudiengang täglich getroffen. „Wir haben die gleichen Veranstaltungen besucht. Die Seminare und Vorlesungen sind immer noch auf Diplom ausgerichtet“, erzählt er.
Studierenden-Vertreter kritisieren besonders die überhastete Einführung der neuen Abschlüsse. „Mit der Brechstange werden die meist neunsemestrigen Diplomstudiengänge auf sechs Semester zusammengepresst, ohne wirkliche Reform der Studienordnungen“, bemängelt Studierendenvertreterin Weber. Dabei würden handwerkliche Fehler gemacht, die Studierbarkeit sei in Frage zu stellen. Aber es gibt auch auch positive Beispiele. An der Technischen Hochschule Aachen ist man mittendrin in der Umstellung der Studienordnung. „Das klappt ganz gut. Wir Studierenden können viel mitreden bei den Reformen, so Marcel Michels, Referent für Hochschulpolitik des allgemeinen Studierendenausschusses (AStA). Studiengänge würden teilweise völlig neu aufgerollt. Einen Qualitätsverlust durch die neuen Abschlüsse kann der AStA-Vertreter nicht erkennen.
Die Wirtschaft drückt auf die Tube. Unter dem Motto „More Bachelors and Masters Welcome!“ forderten große deutsche Unternehmen vor einigen Wochen erneut, den Umbau in Bachelor- und Master-Studiengänge zu beschleunigen. Ebenso müsse aber die Qualität der neuen Studiengänge gesichert werden. „Die Umstellung muss für eine Erneuerung der Lehrinhalte und Lernformen genutzt werden, mit dem Ziel, die Studienzeiten zu verkürzen und die Studienqualität zu erhöhen“, heißt es in dem Aufruf. „Die Parallelführung von alten und neuen Studiengängen ist nicht nur eine Verschwendung von Ressourcen, sondern auch ein falsches Signal“, kritisierte der Arbeitgebervertreter Anz.
Unterstützung bekommt er von Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK): „Das parallele Angebot traditioneller und neuer Studiengänge verunsichert Studierende und Arbeitgeber und belastet die Hochschulen.“ Doch teilt die Präsidentin der HRK auch zur anderen Seite aus. Zwar begrüße sie die Bereitschaft der Unternehmen, Bachelorabsolventinnen und -absolventen der deutschen Hochschulen zu übernehmen. Es fehle allerdings eine finanzielle Unterstützung des Bundes und der Wirtschaft.
Der Vertreter der Arbeitgeberverbände gibt den Ball an die Unis weiter: Den Hochschulen müsse die Einführung von Studiengebühren ermöglicht werden, heißt es in einem Aufruf. Gleichzeitig wolle man die Kooperation mit den Hochschulen intensivieren, allerdings nur zum Eigenbedarf: mit Studiengängen, „die am Qualifikationsbedarf der Unternehmen orientiert sind“. Über finanzielle Unterstützung steht nichts im Aufruf.
Tino Kirfe hat erkannt, dass der Bachelor in der Berufswelt ungefähr mit einem Fachhochschuldiplom gleichgesetzt wird, der Master mit einem Universitätsdiplom. Also hat er sich dafür entschieden, doch noch den Master zu machen, um in drei Semestern noch weitere Fachkenntnisse zu erwerben. Dadurch würden sich auch seine beruflichen Möglichkeiten verbessern.