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Archiv-Artikel

TSUNAMI: NIRGENDS ERREICHTE EINE WARNUNG DIE GEFÄHRDETEN Hightech – sinnlos ohne Lowtech

Für weniger als 2,50 Euro monatlich können Sie sich für ein Jahr vor Tsunamis schützen! Eine international auftretende Firma mit Sitz auf der Inselgruppe der Seychellen wirbt im Internet für ihr System. Jeder Abonnent bekommt rechtzeitig eine SMS mit Warnton auf sein Handy geschickt, verspricht der Warndienst.

Die über 300 Opfer des jüngsten Seebebens an der Südküste von Java hatten diesen Service offenbar nicht gebucht. Auch die europäischen Touristen, die durch die Flutwelle vom Montag zu Tode kamen, konnten sich und die Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung nicht schützen – obwohl die Regierung in Jakarta vom Tsunami-Zentrum auf Hawaii rechtzeitig über die drohende Gefahr informiert worden war.

Individuelle Lösungen helfen nur wenigen, in der Regel den ökonomisch Privilegierten – wenn überhaupt. Ein effektives Tsunami-Frühwarnsystems muss alle schützen und bedarf daher öffentlicher Einrichtungen, die alle Gefährdeten erreichen. Anders als bei Erdbeben, deren Auftreten auch bei genauester Beobachtung der tektonischen Bewegungen nicht präzise vorhergesagt werden kann, ist das Eintreffen einer durch Seebeben erzeugten Flutwelle auf wenige Minuten genau zu prognostizieren.

Wissen schützt – deswegen wird als Katastrophenhilfe jetzt ein Frühwarnsystem im Indischen Ozean gebaut, das die Tsunami-Zentrale im Pazifik an Genauigkeit übertreffen soll. Doch die Hightech-Bojen können nur dann Leben retten, wenn die Informationen bei den gefährdeten Menschen ankommen. Dies war selbst in Orten mit besserer Infrastruktur nicht der Fall – und verhallt erst recht ungehört, wo es weder Strom noch Telefon gibt, wie jetzt in vielen der Fischerdörfer auf Java.

Wie wirksam das von deutschen Ingenieuren entwickelte System ist, werden die Küstenbewohner erst ermessen können, wenn überall entlang der Küsten Sirenen aufgestellt sind. Hightech braucht Lowtech – anders geht es nicht. Das aber erfordert Investitionen, die von der indonesischen Regierung zu leisten sind. Wenn sie das Frühwarnsystem ernst nähme, hätte sie längst damit beginnen müssen. RALF LEONHARD