: Großes Krabbeln an der Küste
Der Rapsglanzkäfer plagt Schleswig-Holstein. Urlauber fliehen vom Strand und Landwirte erwarten Schäden. Doch gegen Pestizide sind die Insekten resistent
KIEL taz ■ Der Feind ist klein, aber gefräßig: Nur etwa sesamkorngroß sind die Rapsglanzkäfer, die gerade über Schleswig-Holstein herfallen. Die Tiere fliegen auf bunte Farben – im Frühjahr lockt sie das leuchtende Gelb der Rapsfelder. Dort zerfressen sie die Knospen, um an die Pollen heranzukommen, ihre bevorzugte Nahrung. Ist der Raps verblüht, wechseln die Tiere zu anderen Blumen, aber auch auf helle Kleidung, Handtücher oder Haare: Schon stöhnt nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch die Tourismusbranche über den flächendeckenden Angriff der Krabbler. In Badeorten wie Eckernförde fliehen Urlauber vom Strand in die Innenstadt, aus Lübeck heißt es, Radler kämen zeitweise nur mit einem Tuch vor dem Mund voran.
Während die Sommergäste die Tiere nur unangenehm finden, rechnen die Landwirte bereits mit spürbaren Schäden. In einigen Bereichen lohne sich die Ernte kaum mehr, sagte der Sprecher der Landwirtschaftskammer, Manfred Christiansen.
Teilweise seien bis zu 70 Prozent der Rapsfelder zerfressen – wurden im Frühjahr die Blüten geschädigt, entwickeln die Pflanzen sich nicht mehr. Etwa 5 Prozent der gesamten Rapsernte könnte dem Rapskäfer zum Opfer fallen.
Die Rapsglanzkäfer, wissenschaftlicher Name Meligethes aeneus F., sind keine seltenen Gäste in Schleswig-Holstein. Aber in diesem Jahr ist ihre Zahl größer als sonst: Das fast windstille warme Wetter der vergangenen Wochen habe sehr viele Tiere gleichzeitig schlüpfen lassen, erklärt der Insektenforscher Ralf-Udo Ehlers. Wichtigster Grund für die aktuelle Plage ist allerdings, dass die Käfer nicht mehr so leicht totzukriegen sind: „Sie sind resistent gegen gängige Insektengifte“, sagt der Sprecher der Landwirtschaftskammer. „Sie fressen nach dem Spritzen munter weiter“, klagte ein Landwirt aus Großharrie der Lokalzeitung – damit sei jeder weitere Gifteinsatz überflüssig: „Nur Geld auf den Acker fahren ist sinnlos.“ Carola Ketelhodt, Geschäftsführerin des Bioland-Verbandes im Norden, hat nur bedingt Mitleid: „Alle, auch die konventionellen Bauern, wissen genau, wie es zu diesen Resistenzen kommt: zu enge Fruchtfolgen und zu viele Insektizide.“
Raps ist eine der am meisten verbreiteten Pflanzen in Schleswig-Holstein geworden – im Frühling leuchtet es von der Nord- bis zur Ostsee auf 110.000 Hektar gelb.
Rapsöl ist begehrt, schließlich lässt es sich sowohl auf dem Teller als auch im Treibstofftank verwenden. Die Monokulturen werden vorsorglich besprüht, meist mit Pflanzenschutzmitteln, die dem Chrysanthemengift Pyrethrum nachempfunden sind. Da die gängigen Substanzen nicht mehr wirken, wird zurzeit auf Hochtouren geforscht: Im kommenden Jahr sollen neue Stoffe auf den Markt kommen. Das Problem werden sie nur eine begrenzte Zeit lösen. Hobbygärtnern und Urlaubern raten die Fachleute nicht zur Giftspritze, sondern zum Ablenkungsmanöver: ein gelbes Tuch lockt die Käfer von Blumen und Picknickkörben weg. Und spätestens im August ist die Plage ohnehin vorbei.
ESTHER GEISSLING