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Archiv-Artikel

Kredite sind gut, Bafög ist besser

Studienkredite sind im ersten Semester nicht verschmäht worden. Studierende setzen trotzdem weiter aufs Bafög

„Der Staat zieht sich immer stärker aus der Verantwortung und nimmt Verschuldungin Kauf“

BERLIN taz ■ Die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ist zufrieden: 6.000 Studierende studieren seit einem Semester auf Kredit. Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) deutete gestern diese Zahl als Indiz für großes Interesse. Viele Studierende hätten wohl geradezu darauf gewartet. Ein Studienkredit schaffe finanzielle Unabhängigkeit und ermögliche eine verlässlichere Planung während des Studiums, erklärte die Ministerin. Man wolle so mehr junge Menschen zum Studieren motivieren. Seit drei Monaten ist bei der KfW-Bank ein allgemeiner Studienkredit erhältlich, der unabhängig von der finanziellen Lage und dem Gehalt der Eltern ausgezahlt wird.

Dagegen kritisiert Christian Berg vom freien zusammenschuss der studierendenschaften die Bildungskredite. Diese seien kein geeignetes Instrument der Bildungsfinanzierung. Berg sieht in ihnen einen ersten Schritt weg vom Bafög.

Dafür gibt es bisher noch keinen Beleg. Laut Bericht des Statistischen Bundesamtes ist die Zahl der Bafög-geförderten Studierenden entsprechend dem Trend aus den Vorjahren weiter gestiegen, auf nun 507.000. Dies entspricht einem Plus von 5.000 im Jahresdurchschnitt. Die Ausgaben nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz lagen somit so hoch wie nie.

Für den Generalsekretär des Studentenwerks, Achim Meyer von der Heyde, ist dies ein Beweis für die Unverzichtbarkeit des Bafög. Es untermauere seine Einschätzung, dass „eine staatliche Studienfinanzierung durch eine marktbasierte nicht ersetzt werden kann“. Deswegen kritisierte der Studentenwerks-Vertreter auch, dass das Bafög seit 2001 nicht weiterentwickelt und der Gehalts- und Preisentwicklung angepasst wurde.

Ein großes Problem sieht das Deutsche Studentenwerk im so genannten Mittelschichtsloch: Es beträfe junge Menschen, deren Eltern zu wenig verdienten, um ihren Kindern das Studium zu finanzieren, aber zu viel, als dass ein Bafög-Anspruch bestünde. Dieses Loch müsse dringend gestopft werden.

Gerade dieses „Mittelstandsloch“ und die Studierenden, die durch das finanzielle Netz des Bafög fallen, sind es, die von der KfW-Bank ins Auge gefasst werden. War es bisher in solchen Fällen weit verbreitet, eine eventuelle Verlängerung des Studiums in Kauf zu nehmen und sich einen Nebenjob zu suchen, so besteht seit April diesen Jahres die Möglichkeit eines fast allgemeinen Studienkredits. Ausgeschlossen davon sind über 30-Jährige und jene, die bereits zehn Semester Studium hinter sich haben. „Der Staat zieht sich immer stärker aus der Verantwortung und nimmt dafür die Verschuldung junger Menschen in Kauf“, meint dagegen Studierendenvertreter Berg. Er forderte eine elternunabhängige staatliche Ausbildungsfinanzierung, um diesem Problem zu begegnen.

Studierendenverbände hatten bereits zur Einführung des Bildungskredits gewarnt, die Gefahr der Verschuldung sei zu groß. Wer heute Bafög in Anspruch nimmt, der muss nach dem Studium maximal 10.000 Euro an den Staat zurückzahlen. Bei der Kreditfinanzierung durch Banken belaufe sich die Rückzahlung auf 16.000 bis 80.000 Euro. Auch wurden besorgte Stimmen laut, die in den Studienkrediten ein Instrument sahen, Studiengebühren den Weg zu ebnen.

KATRIN RÖNICKE

meinung & diskussion SEITE 11