Städte wollen Bleiberecht

Langjährig geduldete Flüchtlinge sollen bleiben dürfen, fordern mehrere niedersächsische Kommunen – und widersetzen sich damit dem strikten Kurs von Innenminister Schünemann

von REIMAR PAUL

Mehrere Städte in Niedersachsen fordern in Ratsbeschlüssen und Resolutionen ein Bleiberecht für langjährig geduldete Flüchtlinge und erhöhen damit den politischen Druck auf Innenminister Uwe Schünemann (CDU) weiter. Der lehnt eine allgemeine Bleiberechtsregelung bislang ab.

Die Kommunalparlamente in Dannenberg und Oldenburg verabschiedeten bereits im Juni einstimmig entsprechende Resolutionen. In Dannenberg ging die Initiative von Bürgermeister Peter Selber aus – einem Mitglied der CDU. In Oldenburg dagegen schoben die Fraktionen von Grünen und Linkspartei den Beschluss an. Der Status einer Duldung biete keinen dauerhaften Schutz vor einer Abschiebung, heißt es im Oldenburger Antrag. Der Stadtrat forderte Oberbürgermeister Dietmar Schütz (SPD) auf, sich bei der Landesregierung für ein dauerhaftes Bleiberecht für Flüchtlinge mit einer Duldung einzusetzen. Weiterhin solle Schünemann bei der nächsten Innenministerkonferenz und in den Gremien des Deutschen Städtetages auf eine bundesweite Regelung hinarbeiten.

Der Rat der Landeshauptstadt Hannover folgte am 13. Juli. Der mit rot-grüner Mehrheit verabschiedete Appell richtet sich an die Landesregierung sowie an den Landtag. Sie sollen erwirken, dass die Innenminister und -senatoren eine Bleiberechtsregelung für langjährig in Deutschland lebende AusländerInnen mit Duldung beschließen.

Nach bisherigem Recht müssten Asylsuchende nach Ablauf ihrer Duldung abgeschoben werden, auch wenn sie hier seit mehr als einem Jahrzehnt lebten, arbeiteten und ihre Kinder hier geboren und aufgewachsen seien, sagte Hannovers Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg (SPD). Es sei auf Dauer nicht erträglich, dass die Auseinandersetzungen dann auf dem Rücken der Ausländerbehörden ausgetragen würden.

Einen anderen Akzent setzen die Grünen in Göttingen. Nach ihrem Willen soll die Universitätsstadt als erste niedersächsische Stadt eine kommunale Härtefallkommission erhalten. Diese solle über Abschiebefälle in der Stadt beraten, die für die Betroffenen „eine besondere Härte“ bedeuteten, heißt es in einem Ratsantrag. Der Antrag sei vom Kommunalparlament in die zuständigen Fachausschüsse überwiesen worden und werde beraten, sagte gestern eine Fraktionssprecherin. Eine kommunale Härtefallkommission kann allerdings nur Empfehlungen aussprechen, über ein Bleiberecht muss das Land entscheiden.

Auch der niedersächsische Landtagspräsident Jürgen Gansäuer (CDU) spricht sich mittlerweile für ein Bleiberecht abgelehnter Asylbewerber mindestens bis zum Schulabschluss aus. „Ich würde persönlich, rein menschlich sagen wollen: Wenn Kinder hier etliche Jahre zur Schule gegangen sind, wird es problematisch, sie abzuschieben“, so Gansäuer in einem Interview. Der Stichtag für eine Altfallregelung könne etwa bei Ende der 90er Jahre liegen.

Zuvor hatten bereits Flüchtlingsinitiativen, Wohlfahrtsverbände und Vertreter der Kirchen ein Bleiberecht für langjährig geduldete Flüchtlinge verlangt. Nach Angaben des dortigen Flüchtlingsrates leben in Niedersachsen derzeit rund 23.000 Personen mit diesem Status. Bundesweit seien es mehr als 200.000, von denen die meisten sich bereits länger als fünf Jahre in Deutschland aufhielten.

Die Landesregierung in Hannover lehnt ein Bleiberecht für Geduldete strikt ab. Schünemann und sein bayrischer Amtskollege Günter Beckstein (CSU) haben sich immer wieder gegen eine solche Regelung ausgesprochen. Zudem steht Niedersachsen wegen ruppiger Abschiebemethoden in der Kritik.