Biber werden obdachlos

Beim Hochwasserschutz macht jeder seins. Während Brandenburg einen Deich zurück verlegt und neue Auenwälder schafft, verfolgt Niedersachsen die gegenteilige Strategie und will künftige Fluten bannen, indem es das Vorland abholzt

von Gernot Knödler

Der Biber an der Elbefähre Lenzen hat kampferprobte Verbündete. Mitglieder der BUND-Kreisgruppe Lüchow-Dannenberg, alte Wendland-Streiter, halten Wacht, um zu verhindern, dass dem Biber sein Lebensraum genommen wird. Sie halten dreieckige Schilder mit durchgestrichenen Büschen hoch, auf die sie „Rodungsarbeiten – Ihr Umweltministerium“ geschrieben haben. Das ist zwar nicht korrekt, trifft den Nagel aber auf den Kopf. Dass niedersächsische Ministerium will Bäume und Büsche aus dem Deichvorland entfernen lassen, damit das Hochwasser schneller abfließen kann. Umweltschützer halten dieses Vorgehen für zu pauschal und ökologisch schädlich.

„Faktisch soll in diesem Sommer die gesamte Weichholz-Aue gerodet werden“, sagt Eckard Krüger vom BUND. Und zwar nicht nur in dem Abschnitt gegenüber dem brandenburgischen Lenzen, sondern am gesamten niedersächsischen Elbufer. Damit werde massiv in die am strengsten geschützte Zone C des Biosphärenreservats der Elbe eingegriffen, sagt Krüger. Ein Weidengebüsch wie das, in dem der Biber 50 Meter weiter seine Burg gebaut hat, würde mit großer Wahrscheinlichkeit der Säge zum Opfer fallen.

Spätestens seit im Frühjahr dieses Jahres das nach 2002 zweite „Jahrhunderthochwasser“ die Elbe hinabrauschte, ist klar, dass die Elbanrainer etwas tun müssen, um die Fluten unter Kontrolle zu kriegen. Nach dem Hochwasser 2002 wurde diskutiert, gezielt eingedeichte Gebiete (Polder) entlang des Flusses zu fluten und in großem Stil Deiche zurück zu verlegen. Tausende von Hektar Äcker und Weiden sollten preisgegeben werden, damit sich der Strom ausbreiten kann und die Deiche nicht übersteigt.

Von den schwierig zu bewerkstelligenden Rückdeichungsprojekten ist wenig übrig geblieben. Am größten Vorhaben wird derzeit im Brandenburgischen, zwischen Lenzen und Wustrow, gearbeitet. Der eingedeichte Bereich links und rechts der Elbe verjüngt sich hier von 1.200 auf 450 Meter. Bei Hochwasser wird der Strom an dieser Stelle wie durch eine Düse gepresst. Dabei knallt das Wasser fast senkrecht gegen den Deich, der dort einer fast rechtwinkligen Kurve der Elbe folgt. Jetzt wird der ohnehin marode Deich von sieben auf sechs Kilometer verkürzt, 425 Hektar neues Vorland werden geschafffen.

Damit hier schnell ein Hartholz-Auwald wächst, hilft der mit dem Projekt betraute „Trägerverbund Burg Lenzen“ kräftig nach und zieht Gehölze auf, die den rauen Bedingungen im neuen Vorland trotzen können. Dagegen soll auf der gegenüberliegenden niedersächsischen Elbseite abgeholzt werden. Grundlage dafür ist ein Erlass des niedersächsischen Umweltministers Hans-Heinrich Sander (FDP). „Jeder ist durch den Erlass in der Lage, dem Hochwasserschutz gerecht zu werden, in dem er Strömungshindernisse in Form von Bäumen und Büschen zurückschneidet“, sagt Sanders Sprecher Magnus Buhlert. Angesprochen seien die jeweiligen Grundeigentümer: die Bundeswasserstraßenverwaltung und die Kreise.

Den Erlass hatte Sander durch ein Gutachten untermauern lassen, von dem auch Buhlert einräumt, dass es nicht exakt prognostizieren könne, wie sehr Bäume und Büsche das Hochwasser ansteigen ließen. „Die Trendaussagen sind auch so deutlich“, sagt Buhlert – Büsche und Bäume könnten Strömungshindernisse sein.

In Niedersachsen ist Buhlert zufolge nur eine Rückdeichung geplant: 55 Hektar zwischen Neu Garge und Mankenwerder. Mit dem Absperren der Jeetzel gehen aber 400 Hektar Überflutungsflächen verloren. Die Landesregierung setzt darauf, dass das Hochwasser stromaufwärts aufgefangen wird. Das Land stehe kurz vor dem Abschluss eines Staatsvertrages, der die Öffnung der Polder in Brandenburg und Sachsen-Anhalt im Hochwasserfall regelt und Entschädigungen dafür festlege, sagt Buhlert.

Für eigene Rückdeichungen im großen Stil habe Niedersachsen gar nicht den Platz. Wegen der notwendigen Enteignungen dauerten sie auch viel zu lange. Die Weiden und Schwarzpappeln vor den Deichen und auf den Buhnen müssten zudem ohnehin regelmäßig gestutzt werden. Allerdings sehe der Erlass dafür klare Regeln vor, die das Entbuschen auf das Nötigste beschränkten.

Die BUND-Kämpen aus dem Wendland haben angekündigt, die Abholz-Aktion ganz genau zu beobachten und öffentlich zu machen.